Dienstag, 23. Mai 2017

Vielfältiges Georgien




Von der armenischen Grenze bis Stepanzminda – früher Kazbegi -, dem kleinen Bergdorf an der georgischen Heeresstraße mit seinem bekannten Postkartenmotiv, dem kleinen Kirchlein oben auf dem Berg, sind es auf direkter Nordsüd-Achse gerade mal 225 km. Bis Russland ist es nicht mehr weit. 10 km die Straße runter liegt die Grenze. 

Man könnte dieses kleine Land im Kaukasus bequem an einem Tag durchqueren. Es ist doppelt so breit wie hoch, also ca. 450 km von Ost nach West. Ziemlich zentral, etwas rechts von der Mitte, liegt wie der Knoten einer Schleife Tbilisi, die Hauptstadt, an der man immer wieder vorbei muss. Drei Wochen Georgien neigen sich dem Ende zu, dreimal haben wir den Mittelpunkt der Schleife durchfahren und dabei stattliche 1800 km zurückgelegt. Drei Wochen mit wechselhaftem, zuletzt ziemlich feuchtem Wetter, üppig sattgrünen Wäldern, dem Gefühl der Leichtlebigkeit, mit kulinarischen Highlights und gutem Wein, den hohen Bergen des Kaukasus und dem Schwarzen Meer. Georgien fühlt sich entspannt an. Georgien ist ein Land, in dem man sich gut erholen kann. Bereits der Grenzübertritt war so wunderbar anders – ohne großen Formalismus – einfach geschmeidig, kurz und knapp.
 
Schildkrötensee
Um unser Russlandvisum rechtzeitig auf den Weg zu bringen fuhren wir ohne Verzögerung zuallererst Tbilisi an. Bei Caravanistan.com hatten wir gelesen, dass dort nicht nur zeitlich begrenzte Transit- sondern auch die wesentlich komfortableren Touristenvisa ausgestellt werden. Normalerweise geht das nur im jeweiligen Heimatland. Dementsprechend hatten wir die Antragspapiere vorbereitet, bereits im Ort nach der Grenze ausdrucken lassen und uns pünktlich um 8 Uhr am nächsten Morgen in die Warteschlange vor der russischen Interessenvertretung eingereiht. Der Zufall hat uns am Abend zuvor mit unserem Jonny zum Schildkrötensee, oberhalb von Tbilisi, geschwemmt. Ruhiger Parkplatz, 10 Lari pro Nacht und eine Seilbahn ins Tal. Von der Talstation aus waren es nur 800m zur russischen Visastelle. Anscheinend hatten wir alles richtig gemacht. Nach Prüfung der Anträge zahlten wir vor Ort akzeptable $ 50 p.P. und die Pässe wurden einbehalten. Fünf Arbeitstage später, am 11. Mai 18:00 Uhr, sollten wir sie inklusive Visa wieder abholen. Wenn man vom Gedränge bei der Ansteherei absieht lief alles glatt und ohne Rückfragen. Wieder oben am Schildkrötensee angekommen, ließen wir die ersten 24 Stunden Georgien Revue passieren: So ganz nebenbei hatten wir eine LPG-Tankstelle gefunden und unseren Gastank gefüllt, ein sehr schönen Stellplatz gefunden, eine Wäscherei ausfindig gemacht und die Wäsche abgegeben, SIM-Karte erstanden und den Blogeintrag zu Armenien ins Netz gestellt sowie die Visa auf den Weg gebracht. Das musste gefeiert werden! Ein georgisches Lokal mit herrlicher Aussicht über die Stadt war nicht weit und wir ließen es uns schmecken!


Wie sollen wir die Woche bis zur Abholung der Visa verbringen? In der Stadt bleiben? Nach Batumi ans Meer fahren? Iris wollte sich zuallererst ein Bild von der Stadt machen, was für sie gleichbedeutend mit langen, ausgedehnten Fußmärschen ist. So schnürte sie am nächsten Tag die Wanderschuhe und begab sich auf einem Höhenweg Richtung Altstadt.

Vom Schildkrötensee über den Mtatsminda-Park bis zur Narikala-Festung, von dort mit der Seilbahn direkt ins Herz der Alten Stadt von Tbilisi sind es ca. 8 km mit frischer Luft, netten Begegnungen und unvergesslichem Panorama. Als sie abends glücklich mit der frisch gewaschenen Wäsche unterm Arm per Taxi wieder am See eintraf, taten ihr nicht nur die Füße weh. Die vielen Eindrücke, die sie gesammelt hatte, sollten sich erst einmal setzen dürfen und wir brachen am nächsten Morgen Richtung Osten zu unserer ersten „Schleifenrunde“ auf.

Stadtteil Sololaki unterhalb der Festung


Das Höhlenkloster Davit Gareja und in die Weingegend Kakheti waren das Ziel. Wir genossen die überschaubaren Tagesetappen, die neben dem Fahren auch Zeit für Ausschlafen, Besichtigungen, Spaziergänge und Erkundungen ließen. Angenehme Stellplätze für die Nacht waren leicht gefunden und die Temperaturen, von dem ein oder anderen Gewitter abgesehen, schon fast sommerlich.


Die Strecke zum unweit der aserbaidschanischen Grenze gelegenen Höhlenklosterkomplexes Davit Gareja, führt auf ziemlich schlechter Straße durch einsame, zunehmend baumlose, hügelige Landschaft. Hier und da ein Schäfer mit seinen Schafen, die wie Rasenmäher dafür sorgen, dass das Gras immer schön kurz bleibt.


Der Namensgeber der Anlage war einer von 13 syrischen Mönchen, die im 6. Jahrhundert das Christentum nach Georgien gebracht haben. Nach wechselvollen Zeiten findet heute in einem Teil der Anlage, im Kloster Lavra, wieder klösterliches Leben zwischen den Höhlenwänden statt. Ein anderer, verlassener Teil, Udabno, ist für seine alten Fresken, die die Höhlenwände zieren, bekannt. Wir hatten von den giftigen Schlagen gelesen, die es in dieser Gegend geben soll. Einen Hinweis, den wir durchaus ernst nahmen. Der Weg nach Udabno führt durch buschiges Gelände steil den Hang hinauf. Prompt hatten wir auf halbem Weg ein gut meterlanges Exemplar beim Dösen auf dem warmen Erdpfad aufgeschreckt. Flux verschwand sie knapp vor unseren Füßen in den Büschen. Die kleine Begegnung hatte uns einen gehörigen Schreck versetzt, was uns dazu veranlasste, den Rückzug anzutreten. Wir hatten plötzlich keine große Lust mehr, weiter durch die Gegend zu streifen und zogen am nächsten Morgen Richtung Sighnaghi, einer hübschen kleinen Stadt mit, lt. Reiseführer, italienischem Flair und schöner Aussicht auf die Berge des Kaukasus, weiter. Die Aussicht blieb uns zwar verborgen, aber ein leckeres Lokal haben wir entdeckt, indem wir uns aufs Feinste bewirten ließen.






Georgien ist nicht nur ein an Wein, sondern auch an Wasser reiches Land. Viele Quellen liegen am Wegesrand und unzählige Flüsse und Bäche durchziehen die Ebenen. Der Alazani, der mit seinen Zuflüssen die Landschaft Kakhetis prägt, schlängelt sich gesäumt von Weingütern und grünen Wiesen, wie nahezu alle Flüsse Georgiens frühlingshaft, wasserreich und ungezähmt mäandrierend durchs Tal. Hier und da sind alten Kirchen, Kathedralen und Festungen zu bewundern, die – teils in Ruinen oder renoviert – besucht werden können. Von der Provinzhauptstadt Telavi, in der es neben einer sehenswerten schnuckeligen Altstadt einen ebenso schnuckeligen, sehr sympathischen kleinen Bazar gibt, ging es nach 5 Tagen „Urlaub“ über den überwiegend von Wäldern gesäumten Gombori-Pass zurück nach Tbilisi.





Dort wollten wir zuerst einen zentrumsnahen Stellplatz aufsuchen, von dem wir über Bekannte erfahren haben. Bei Besichtigung war dieser allerdings komplett zugeparkt, was uns dazu veranlasste, wiederrum am Schildkrötensee Zuflucht zu nehmen. Zwar mussten wir um in die Stadt zu kommen in Taxifahrten investieren, aber mehr als € 5 haben wir für die Strecken nie bezahlt. Wie es der Zufall will, liefen uns am Parkplatz Markus und Conny in die Arme, die wir bei unserem ersten Stopp in der Stadt im „Lokal mit Aussicht“ kennen gelernt hatten. Er ist für 2 Jahre Lehrer auf Austausch und hier im aktiven Schuldienst eingebunden. Sie hatten uns in Bezug auf die georgische Mentalität etwas hinter die Kulissen schauen lassen und luden uns spontan, ganz der geselligen, georgischen Lebensart verpflichtet, für den Abend zu sich nach Hause zum Essen ein – eine Einladung, die wir gerne annahmen und sehr genossen haben.

Am nächsten Tag wurden uns unsere Pässe mit Visa pünktlich zur vereinbarten Stunde ausgehändigt. Ein Gefühl der Entspannung machte sich bei uns beiden breit. Für unseren Russlandtransit nach Skandinavien konnten wir uns ab dem 20. Mai nun 30 Tage Zeit nehmen. Für uns, die wir mit unserem Jonny an langsames Reisen gewohnt sind, eine große Erleichterung. Für die Erkundung der Stadt nahmen wir uns ohne Stress die Zeit, die wir brauchten. Überall gibt es etwas zu schauen, kleine Gassen und Hinterhöfe zu erforschen, alte und renovierte Jugendstilfassaden zu bestaunen und natürlich jede Menge Gelegenheiten, sich zu zivilen Preisen in einem der unzähligen Cafes und Restaurants zu verköstigen. Das Flair des alten Stadtzentrums nahm uns schnell gefangen, aber nach 3 Tagen hieß es Abschied nehmen. Noch stand die Erkundigung Westgeorgiens auf dem Plan. 












Mittlerweile hielten die anfänglich nur vereinzelten Regenschauer oft den ganzen Tag an. Nach sorgfältigem Studium der Großwetterlage haben wir bei der Planung der „Westschleife“ versucht, den Besuch des imposanten, im kleinen Kaukasus gelegenen Höhlenklosters Varzia, den Abstecher ans Schwarze Meer und das Befahren der georgischen Heeresstraße so zu timen, dass wir auch Aussicht auf regenfreie Tage, vielleicht sogar etwas Sonne hatten. Und – wir hatten Glück! Batumi und Svaneti müssen wohl ein anderes Mal besucht werden. Die Abstecher dorthin hätten sich weniger gelohnt.


Auf dem Weg nach Vardzia


Vardzia



Am Schwarzen Meer 10 km südl. von Poti


Unterwegs begegneten uns immer wieder berittene Hirten mit ihren Schafherden, Kühe kreuzen den Weg und hier und da durchstöberte auch eine Sau den Straßengraben nach Essbarem. Iris hatte in den Internetnachrichten gelesen, dass wegen einer freilaufenden Herde Rindviecher, irgendwo in Sachsen eine Bundesstraße über mehrere Stunden gesperrt war. Darüber können wir nur schmunzeln. Wir wissen jetzt schon, dass wir in Deutschland die alltägliche Begegnung mit Hund, Schaf, Pferd, Kuh und Schwein, mit denen wir die öffentlichen Straßen teilen, sehr vermissen werden. 

 

Apropos Hund – davon gibt es in Georgien ziemlich viele – freilaufend, freilebend, am Straßenrand überlebend. Erstaunlich ist – sie sind alle sehr friedlich und entspannt. Wie die Georgier selbst. Das Georgien irgendwann mal wieder auf unserer Reiseliste stehen wird, ist ziemlich gewiss.


Kazbegi

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