Freitag, 4. November 2016

Zurück zum Anfang

Es fühlt sich immer noch alles so seltsam an!
Vor 2 Wochen sind wir wieder in einen komplett anderen, neuen, teilweise irritierenden und doch vertrauten Kulturkreis eingetaucht. Wir haben uns in Bishkek in einen Flieger gesetzt und sind in ca. 10 Stunden mit Stopp in Istanbul nach München geflogen. Es ist schon komisch, innerhalb so kurzer Zeit wieder an den Ausgangspunkt der Reise zurück zu kehren und die vertrauten Wände unseres Jonnys zurückzulassen. 

Es hat etwas gedauert, aber mittlerweile sind wir angekommen. Vor ein paar Tagen waren wir in der Münchner Fußgängerzone unterwegs und trafen dort auf eine Gruppe mongolischer Straßenmusiker. Pferdekopfgeige und Obertongesang. Vor 4 Monaten waren wir noch dort. Die Musik hat uns eingefangen und in die Berge des Khangai-Gebirges zurück versetzt, wo Pferde, Yaks, Ziegen und Schafe in Herden an einem vorbei ziehen und uns daran erinnert, wieviel wir in den vergangenen 7 Monaten erleben durften.

Khukh Mongol
Wir haben lange überlegt, ob die Entscheidung, unsere Reise für ca. 3-4 Monate zu unterbrechen, richtig ist. Der Plan war ein anderer. Iris tat sich anfänglich um einiges schwerer als Hilmar diese Entscheidung zu akzeptieren. Aber ihr tat der Rücken ja nicht weh! Vor unserer Abfahrt im Frühjahr hatte Hilmar sich ziemlich verhoben. Seine Beweglichkeit war vor allem zu Beginn der Reise stark eingeschränkt. Trotz der negativen Prognosen verschiedener Ärzte, machten wir uns damals auf den Weg. Mittlerweile ist vieles wieder gut, aber eben nicht optimal. Daher hat Hilmar sich dazu entschlossen, diesen Winter etwas für seine Gesundheit zu tun. Langfristig sicherlich eine vernünftige Entscheidung, kurzfristig hat sie uns allerdings in diverse Gefühlsbäder gestürzt. Andererseits haben wir nun Gelegenheit, all das Erlebte zu verdauen und uns gezielt auf die neuen Räume, die es nächstes Jahr zu erobern gilt, vorzubereiten.

Am 19. Oktober kamen wir hier in München an und sind erst einmal bei Iris Eltern abgetaucht. Bis dahin verbrachten wir geruhsame Tage in Kasachstan. Bei unserem zweiten Besuch in Samarkand hatten wir uns eine Erkältung eingefangen, die es erst einmal auszukurieren galt. Wir verbrachten mehrere Tage in Shymkent und fanden auch unterwegs reizvolle Plätze, die zum Bleiben einluden. In Almaty, das fast auf dem Weg liegt, haben wir unserem Jonny in der uns bereits vertrauten Reifenwerkstatt zwei neue Reifen spendiert, bevor es nach Kyrgystan ging. Auf dem Weg nach Almaty wurden wir zum ersten Mal auf dieser Reise wegen einem vermeintlichen Verkehrsvergehen von der Polizei gestoppt. Rechts ranfahren, Aussteigen, Papiere mitnehmen. Hilmar wurde gebeten auf dem Beifahrersitz des Polizeiwagens, der bereits mit 3 Mann besetzt war, Platz zu nehmen. Das Photo, das ihm auf dem Labtop gezeigt wurde, war ziemlich eindeutig. Unser Jonny wurde geblitzt, wie er mit 66 Stundenkilometern unterwegs war. Anscheinend gab es kurz vorher irgendwo ein Schild mit einer 50er Beschränkung. Bisher haben wir sehr genau aufgepasst, dieses Schild hatten wir wohl übersehen. Da auch andere Verkehrsteilnehmer nicht ungeschoren davon kamen, zweifelten wir nicht an der Korrektheit der Maßnahme. Jetzt ging es nur noch um den Preis. Die Herren gingen mit 300$ an den Start, Hilmar hielt mit 30$ dagegen. Bei 50$ wurde der Deal schließlich per Handschlag besiegelt. Wir wissen nicht, was ein kasachischer LKW-Fahrer zahlen muss, wenn er geblitzt wird. Wir wissen nur – als Touristen zahlen wir definitiv immer mehr. Soll man sich darüber ärgern? Oder riskieren, stundenlang auf einer Wache zu sitzen, sofern man sich weigert zu zahlen? Wir entschieden uns für den einfachen Weg.



Kasachstan
Der Grenzübertritt bei Bishkek ein paar Tage später verlief wieder einmal völlig problemlos. In einer knappen Stunde waren wir durch und erfreuten uns an den sonntäglich leeren Straßen der Stadt. Der Parkplatz im Hof des Tundukhostels, wo wir unser Auto winterfest machen wollten, war noch für ein paar Tage belegt. Da wir bis zum Abflugtag ausreichend Zeit hatten, drehten wir spontan eine kleine Runde durch das Hinterland von Bishkek. Am Turm von Burana sind wir bisher immer vorbei gefahren. Der Turm, der früher als Minarett diente und aus dem 11. Jahrhundert stammt, ist eine der wenigen baulichen Sehenswürdigkeiten Kyrgystans. Von der ursprünglichen Höhe von 45 m sind nur 24 m übrig. Einsam steht der Turm als Teil eines kleinen Museums in der Ebene des Chuytals - sofern nicht gerade aus einem uns nicht bekannten Anlass Bautrupps Tribünen, Dixieklos und Rednerpult aufgebaut hätten. Den Aufstieg auf den Turm, von dessen oberer Plattform aus man einen wunderbaren Blick ins umliegende Tal hat, haben wir uns verkniffen. Die innenliegende, steile Wendeltreppe ist stock dunkel und bei unserem Besuch mussten wir konstant mit Gegenverkehr rechnen. Die Aussicht auf dem unweit davon gelegenen Hügel war nicht minder schön. 


Wir verbrachten die Nacht auf dem Parkplatz vor dem Museumsgelände und machten uns am nächsten Morgen, geweckt von mehreren Bussen, deren Insassen alle  einen Blick auf den Turm werfen wollten, über kleine Landstraßen auf den Weg zu den heißen Quellen von Issyk Ata. 


Iris hatte zufällig in einem Prospekt davon gelesen. Die gut ausgebaute Straße endete auf ca. 1800 m ü.M. auf dem Parkplatz eines Sanatoriums, das schon bessere Tage gesehen hatte. Wie bei vielen öffentlichen Bauten in den ehemaligen Sowjetrepubliken bröckelt auch hier der Putz. Die Brunnen und Wasserspiele sind vermoost und liegen trocken, Risse klaffen im Mauerwerk und Gras wächst zwischen den Wegplatten im Park. Aber es ist Betrieb und das Sanatorium immer noch eine gute Adresse in Kyrgystan. 

Issyk Ata
Das verlockende sind allerdings die heißen Quellen. Ungleich unserer ersten Erfahrung in Kyrgystan, den Quellen von Altyn Araschan in der Nähe von Karakol, haben wir keine kleine Badekabine für uns. Es soll einen großzügigen Pool geben, der sich aber nicht leicht finden ließ. Oben am Hang mit wunderbarem Blick ins Tal, haben wir schließlich das kleine Schwimmbad entdeckt. Eine bröckelige Steintreppe bzw. mehrere Trampelpfade wiesen uns den Weg. Im Bad selbst genossen wir das knallheiße Schwefelwasser und bestaunten die Bademode der anderen Gäste. Hätten wir geahnt, dass wir 4 Tage später in Bishkek bereits den ersten Schnee vom Auto kehren würden, hätten wir das Sonnenbad am Poolrand wohl noch intensiver genossen.

Morgens wurden wir vom Gesang des Muezzin geweckt. Die 80 km nach Bishkek legten wir sehr schweigsam zurück. Seit zweieinhalb Jahren leben wir in unserem Jonny, seit über 10 Jahren ist er immer in unserer Nähe und nun sollten wir ihn einfach in Bishkek zurücklassen und für mehrere Monate nach Deutschland fliegen?
Die vorausgegangenen Tage hatten wir uns Zeit genommen und den bisherigen Reiseverlauf Revue passieren lassen.
Was waren die Highlights? 
Was war uns im Gedächtnis geblieben?

Auf dem Rückweg nach Bishkek

Seit Anfang April haben wir uns beständig durch ehemals sowjetisches Gebiet bewegt und einen Eindruck davon erhalten, wie sich die einzelnen Staaten in den vergangenen 25 Jahren der Unabhängigkeit entwickelt haben. Die Mongolei hat sich tief in unser Herz gegraben, Russland mit seiner Offenheit Touristen gegenüber positiv überrascht und die zentralasiatischen Republiken uns jeden Tag aufs Neue staunen lassen. Unser Jonny hat, trotz der teilweise katastrophalen Straßen- und Pistenverhältnisse, außer ein paar Steinschlägen an der Windschutzscheibe und der einen Reifenpanne in Almaty, keine nennenswerten Schäden davon getragen. Die Menschen, die wir trafen, begegneten uns nahezu ausnahmslos positiv und gesundheitlich haben wir mit Wasser, Essen und Hygiene nie ein Problem gehabt. Was will man mehr? Wir können nur hoffen, dass wir im nächsten Jahr ebensolche positiven Erfahrungen machen werden.

In Bishkek angekommen, fanden wir unseren Hostel-Parkplatz wie abgesprochen leer vor und machten uns zügig an die Arbeit. Wäsche waschen, Wassertanks leeren, Gepäck zusammen suchen. Unserer Art entsprechend nutzten wir die Gelegenheit für einen vorgezogenen Frühjahrsputz. Alles ist sauber und Empfindliches frostsicher verpackt. Noch war es warm und sonnig, alles lief wie am Schnürchen. Kurz vor dem Abflug schlug schließlich das Wetter um und wir mussten den ersten Schnee vom Dach unseres Autos kehren.
Wir schauten noch kurz beim Hauptzollamt vorbei um sicher zu sein, dass wir unseren Jonny im nächsten Jahr auch problemlos wieder ausführen dürfen und keine Fristen versäumen. Kyrgystan ist seit kurzem Mitglied der 2014 initiierten Eurasischen Witschafts- und Zollunion. Kasachstan, Russland und Weißrussland waren die Gründerstaaten. Nach den derzeitigen Gesetzen darf ein ausländisches Fahrzeug bis zu einem Jahr innerhalb der Union verbleiben. Das russische Einfuhrdokument, das wir Mitte Juli bei Einreise aus der Mongolei kommend, erhalten haben, gibt uns genug Spielraum. Zukünftig könnte es für andere Reisende etwas enger werden, da die Mongolei auf der Liste der Anwärterstaaten steht.

Unseren Jonny wissen wir von Privatleuten unweit des Hostels gut behütet und denken, dass er dort über den Winter gut aufgehoben ist. Die Zeit zuhause wird uns nicht lang werden. Wir haben uns einiges vorgenommen, Familie und Freunde freuen sich über die unerwartete Reisepause. Die Zeit bis zum Rückflug im Februar wird wie im Flug vergehen!


Jonny in Bishkek