Mittwoch, 21. Januar 2015

Ride to Agadir

oder… von der Wüste in die Großstadt, Kulturschock inklusive.

Die Sehnsucht nach einem Supermarkt, der außer „La vashe qui rit“ auch andere Käsesorten im Angebot hat und nebenbei eine Flasche Wein verkauft, wuchs von Tag zu Tag. Unsere, in Spanien gebunkerten Vorräte, waren nach fast 2 Monaten aufgebraucht. Agadir präsentiert sich als moderne Großstadt, in der wenig alte Strukturen zu finden sind. Bei einem großen Erdbeben Anfang der 60er wurden große Teile der Stadt zerstört und anschließend wieder neu aufgebaut. Ein großer Hafen und Strandpromenaden mit Hotels und Bars dominieren das Stadtbild inklusive 4 spuriger Straßen, belebten Kreisverkehren, Straßenampeln und was sonst noch zum Großstadtleben gehört.
Frei laufende Mulis, die ihren Durst an Tankstellen stillen und Eselkarren inklusive.
Wieso wir hier sind? Wie immer hat es sich so ergeben!


Nach unserem Abschied aus Zagora ging es zielstrebig ohne weitere Stopps durch das Draa-Tal nach Agzd. Das Draa-Tal gehört mit zu den schönsten Flusstälern Südmarokkos. Eingerahmt von spektakulären Bergketten, gesäumt von ausgedehnten Palmenhainen, fließt der Draa über mehrere 100 km Richtung Süden. In Mhamid haben wir gesehen, wie er täglich immer weniger wird und langsam wieder trocken fällt. Hier fließt er üppig und ständig und bewässert, in kleine Kanäle umgeleitet, die Palmenhaine.

An jeder Straßenecke kann man Datteln kaufen, die allerdings in ihrer Qualität an die Datteln, die man auf den Märkten kaufen kann, nicht heranreichen. Wie wir zwischenzeitlich gelernt haben, stammen diese häufig aus Tunesien!

In Agdz am Draa, dahinter Djebel Sarhro
Agdz erreichten wir am frühen Abend desselben Tages. Dort war uns ein Campingplatz empfohlen worden, der uns auch die Möglichkeit bieten sollte, eine alte, renovierte Kasbah zu besichtigen. Viele dieser traditionellen, aus ungebranntem Lehm gebauten Familienhäuser verfallen, da sie leer stehen und der Erhalt zu aufwendig wäre. Da wir in Marokko ohne GPS unterwegs sind, konnten wir den „Camping Kasbah Palmerie“  (GPS N30° 42.725´, W6° 26.760´) allerdings erst finden, nachdem wir bei der örtlichen Gendarmerie nach dem Weg gefragt hatten. Die Herren dort helfen gerne!

 
Die Führung durch die Kasbah am nächsten Tag hat sich wirklich gelohnt. Die gut deutschsprechende, französische Frau des derzeitigen Besitzers, zeigte uns nicht nur das verwinkelte, manchmal fast unheimliche Gemäuer. Sie gab uns auch einen hervorragenden Einblick in die marokkanische Lebensweise und Familienstrukturen früher und heute. Der Blick vom Terrassendach der Kasbah über die Umgebung war atemberaubend schön, auch wenn uns an diesem Tag die Sonne etwas im Stich gelassen hatte.
 
 
 
In Agdz beschlossen wir auch nach Agadir ans Meer zu fahren. Neben dem Supermarkt lockten Temperaturen mit angenehme 16-20°C, war es doch im Gebirge deutlich kühler.

Einen weiteren Einblick in die Lebensweise der hier ansässigen Berber bekamen wir gleich ein paar Tage später. Die R 108, auf der wir unsere Route nach Westen fortsetzten, führt die meiste Zeit durch sehr einsame Gegenden. Wüsten und Berghänge sind aufgrund des Regens vor ein paar Wochen mit einem grünen Flaum überzogen, der uns fast vergessen lässt, wie unwirtlich manche Landstriche, durch die wir fahren, normalerweise sind. Die Ziegenhirten müssen derzeit nicht weit laufen um ihren Herden ausreichend Futter zu bieten. Außer beeindruckender Landschaft gibt es hier allerdings sehr, sehr wenig.

Was tut man also, wenn am Straßenrand jemand steht, der die Motorhaube seines Wagens hochgeklappt hat? Man hält an, frägt nach dem Problem und schüttet schon mal den Inhalt seines Reservekanisters in den Wagen eines anderen. 

Der junge Marokkaner ließ uns aber erst ziehen, nachdem wir ihm versprochen hatten, unseren Jonny zu wenden und mit ihm zu Mama nach Hause zu fahren. Dort gäbe es Couscous, und wir müssten doch unbedingt zumindest auf ein Gläschen Tee…. Lange Rede, kurzer Sinn: Mama und Papa bedankten sich überschwänglich, dass wir ihrem Sohn, einem jungen Minenarbeiter auf dem Nachhauseweg von der Frühschicht, aus der Patsche geholfen hatten. Mohamed, der Papa, brachte Tee und vor dem Couscous begutachteten wir noch die wunderbaren, von „Madame“ aus selbst gesponnener und –gefärbter Wolle hergestellten Teppiche, die uns schon im „Salon“ aufgefallen waren. Da saßen wir nun zwischen der ganzen Pracht und „Madame“ meinte, dass sie Iris doch gerne einen ihrer Teppiche, die eigentlich für den Teppichladen des Cousins in Stuttgart bestimmt waren, überlassen möchte. Es schien ihr eine Herzensangelegenheit zu sein, denn die genannten Konditionen waren mehr als entgegenkommend und eh wir es uns versahen, wurde der Kauf per Handschlag unter Frauen besiegelt. Schweren Herzens ließ man uns nach dem Couscous ziehen, wäre unsere Anwesenheit doch noch Anlass für ein abendliches Festessen mit der ganzen Familie gewesen. Es war eine sehr schöne, herzenswarme Begegnung, an die wir beide gerne zurückdenken. Und der Teppich? Ja, für den müssen wir in Deutschland erst einmal Asyl beantragen. Für unseren Jonny ist er zu groß!
 
Camping Toubkal
Mit Übernachtungsstopps in Taliouine (Camping Toubkal, Ortseingang rechts) und Taroudannt (an der Stadtmauer neben der Präfektur, GPS N30°31.390´, W7°53.689´) gelangten wir ohne weitere Zwischenfälle nach Agadir, wo in einem großangelegten Supermarkt die nächste Konsumfalle auf uns wartete. Aber diesmal sind wir standhaft geblieben. Wir haben nur gekauft, was auf dem Zettel stand! In Taroudannt hatten wir am Tag vorher noch einen schönen Nachmittag verbracht, Stadtbesichtigung und Umrundung der 7 km langen Stadtmauer per Pferdetaxi inklusive.
 
Dieser Ort hat uns ausnehmend gut gefallen. Wir schlenderten entspannt durch den Souk und gönnten uns auf dem zentralen Platz der Stadt, auf dem Gaukler und Schlangenbeschwörer für Unterhaltung sorgen, einen Kaffee.

 
 
Ab Taroudannt nahmen die Außentemperaturen merklich zu. Am Straßenrand tauchten die ersten Mandelbäume auf. Die Gegend südlich von hier, der Antiatlas um Tafraoute, ist bekannt für seine Mandelblüte. Dort wollen wir in den nächsten Wochen noch hin, aber derzeit hat des dort Temperaturen um den Gefrierpunkt. Wir warten lieber noch ein bisschen!

Neben Supermärkten gibt es in Agadir unter anderem eine ADAC-Vertretung und eine Mercedes-Benz Werkstätte, die wir derzeit bemühen müssen. Unser Jonny ist zwar rundum frisch gesalbt, gepudert und geölt, aber der Bremslichtschalter ist zwischenzeitlich defekt, was zu einem Dauerleuchten der Bremslichter führt. Die Zeit bis zum Eintreffen des Ersatzteils aus Deutschland vertreiben wir uns auf einem der, bei „Überwinterern“ beliebten Stellplätzen bei Taghazout am Meer (GPS N30° 31.385´, W9° 41.401´), ca. 20 km nördlich von Agadir. In „unserer Ecke“ des Platzes stehen wir gemeinsam mit 2 Unimogs, einem Magirus-Deutz und drei MAN und heben uns etwas von den anderen, überwiegend weißen Wohnmobilen ab.

  
Vom alten Wüstenfuchs über ehemalige Schauspieler aus den 50ern – es ist ein illustres Völkchen um uns rum. Iris ist sicherlich das Küken auf dem Platz, die Herren um uns haben ihren 80ten zeitweise schon hinter sich. Der Platz selbst entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Baustelle.

Hier sollte eigentlich ein Golfplatz entstehen und aus den Bauruinen nebenan ein Hotel. Aber das Projekt wurde wohl im Keim erstickt und außer Erdarbeiten ist nicht viel geschehen. Schade eigentlich, denn der Küstenstreifen war vorher sicherlich sehr viel schöner. Muss man mal gesehen haben, auf Dauer ist das Leben auf der sog. Platte nichts für uns. Der Müll sammelt sich hinter Sandhügeln und die Toilettenentsorgung wird nicht von jedem umweltgerecht durchgeführt. Der Umgang mit Müll entspricht sicherlich in großen Teilen Marokkos nicht den europäischen Gepflogenheiten, aber als Tourist muss ich mir ja daran kein Beispiel nehmen, oder?
 
Strandleben :-)

Aber was hält uns und so viele andere hier? Das Klima in der Bucht von Agadir ist das ganze Jahr über mild und angenehm, die Bucht ist ein Eldorado für Surfern und Standspaziergänger. Nachvollziehbar, dass viele hier hängen bleiben, oder?
 
Strand bei Taghazout
Das Ersatzteil, auf das wir warten, soll wohl in den nächsten 2-3 Tagen in Agadir eintreffen. Solange wollen wir noch bleiben. Danach machen wir uns - mildes Klima hin oder her - auf, um den Küstenteil südlich von Agadir näher in Augenschein zu nehmen.



Sonntag, 11. Januar 2015

Alltag in Zagora

Zagora
Morgens um 10 nach 9 kam die Sonne über den Djebel Zagora, den Berg, der unseren Campingplatz Oasis Palmier im Südosten überschattete, gekrochen – Zeit zum Aufstehen! Bis der Tee gekocht, das Brot geschmiert und das Frühstück verzehrt waren, konnte es leicht 11 Uhr werden.

Ein Ratsch mit den Nachbarn, vielleicht ein Gang in die Stadt, Autopflege und –endsanden, Wäsche waschen, die Tage vergingen viel zu schnell. Auch hatten wir uns beide eine Erkältung eingefangen, die es galt auszukurieren. Wir genossen es 14 Tage lang, dem Kommen und Gehen auf dem Campingplatz zuzusehen. Manche, die Weihnachten mit uns auf dem Platz verbracht hatten, kamen nach einem mehrtägigen Ausflug ins Erg Chigaga Neujahr wieder. Des Öfteren viel abends eine Horde spanischer, polnischer oder niederländischer Jeeps mit Dachzelten über den Platz herein, die morgens schnell wieder verschwunden waren. Ein zeltender Fahrradfahrer aus Deutschland wurde gesichtet, auch Wohnwagengespanne und konventionelle Wohnmobile. Für jeden gibt es in Marokko die richtigen Straßen und das passende Umfeld. Trotzdem war es sehr ruhig, zu ruhig für diese Jahreszeit. Viele Touristen bleiben dieses Jahr aus. Zeitweise waren wir fast die einzigen auf dem Platz. Der islamistisch geprägte Terrorismus wirkt sich auch hier negativ auf den Tourismus aus. Wir können da nur für uns sprechen – wir fühlen uns wohl und sicher in Marokko und hatten bisher zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, nicht willkommen zu sein. 

Wir haben unseren Aufenthalt in Zagora sehr genossen und die Ruhe gefunden, die wir uns gewünscht hatten. Unser Jonny ist wieder flott. Frisch abgeschmiert, mit neuen Ölen, neuen Filtern und unerwarteter Weise auch mit zwei neuen Blattfedern ausgestattet, fährt er jetzt wieder flüssig und geschmeidig über Stock und Stein. Die Anforderungen der bisher, in Marokko zurück gelegten Kilometer, hatten ihre Spuren hinterlassen. Bei 2 Blattfedern bestand Bruchgefahr. Mohamed Gordito, dem wir unseren Jonny zur Überholung anvertraut hatten, riet zur Sanierung. Dies brachte uns nach dem Ölwechsel einen weiteren Tag in seiner Werkstatt ein.

Aber so schnell und zielstrebig wie seine Mechaniker die Federn aus- und wieder einbauten, konnten wir gar nicht gucken. Die Reparatur fand am Straßenrand statt, da unser Auto für die Werkstatt zu groß war. Hilmar staunte nicht schlecht über die handwerkliche Kunst, die da zutage kam. Die Reparaturen wurden gleich am Anfang unseres Aufenthalts in Zagora durchgeführt. Ab dem 26. 12. standen die Räder still. Wir hatten Zeit uns auf Land und Leute einzulassen.

In den Ort ging es entweder 30 Minuten zu Fuß oder wir winkten uns ein kleines gelbes „Petit Taxi“ heran, dass uns für 4,50 Dirham pro Person (45 Cent) ins Ortszentrum fuhr.

Der obligatorische Gang durch die Markthalle endete meist am „Cafe Oskar“, das, gleich neben der Moschee und vor der örtlichen Patisserie gelegen, ein idealer Ort war, dem Treiben auf der Straße zuzusehen. Das Leben, das sich da vor einem ausbreitete, könnte vielschichtiger nicht sein. Männer in traditionellem Burnus, daneben gestylt in Jeans und Turnschuhen, Frauen mit oder ohne Kopftuch, in Tücher gehüllt oder westlich gekleidet – Marokko lebt von der Vielfalt der Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Vor allem die Schulmädchen, die leicht an ihren weißen Kurzmänteln, die sie über der Kleidung tragen, zu erkennen sind, begegnen uns offen und neugierig und fragen schon einmal, wie man den heißt. Bei unseren Souvenireinkäufen verstand Iris es mittlerweile, mit dem Lächeln einer Mona Lisa, die Preise einfach zu halbieren, was ihr den Respekt der Händler und den Spitznamen „Schlitzohr“ einbrachte. Hilmar genoss es, diesem Geschehen gelassen und schmunzelnd zuzusehen. Zwar besitzen auch wir mittlerweile Dinge, von denen wir vorher nicht wussten, dass wir sie haben wollten. Aber wer rechnet schon damit, dass die freundliche Frage, ob man vielleicht Postkarten MIT Briefmarken bräuchte, im Schmuckladen nebenan endet? Dabei wollten wir doch nur Passbilder für die Visumverlängerung anfertigen lassen!
 
Als Faszinierend haben wir die unzähligen kleinen Werkstätten erlebt, in denen noch viel in Handarbeit hergestellt wird. Schreinereinen und Schlossereien, Schneidereien, Fahrradwerkstätten, Kissen- oder  Zeltnähereinen, alle mit offenen Türen. Und dazwischen immer wieder kleine Gemischtwarenhandlungen, die Waren ordentlich in Regalen bis zur Decke gestapelt und Ladenbesitzer, die das Gewünschte hinterm Tresen hervorzaubern.
Der eine hat Küchenrollen, der andere nicht.
Bei dem einen gibt es Nutella, bei dem anderen dafür wieder was anderes.



Statt Konkurrenz, erleben wir eher eine Geschäftemacherei, die Hand in Hand geht und das Gesuchte wird schon mal beim Nachbarn organisiert. Iris grundlegende Französischkenntnisse reichen für die Bewältigung der Alltagsgeschäfte völlig aus, viele sprechen auch Englisch oder ein paar Brocken Deutsch. Selbst beim Bezahlen hat man noch Freude, sind die Preise nach europäischen Gesichtspunkten doch sehr, sehr niedrig. Aber jede Zeit hat ein Ende und so haben wir uns am 3-Königstag wieder auf den Weg gemacht.

Kurz entschlossen unternahmen wir noch einen Abstecher ins 100km entfernte Mhamid im Süden, um selbst ein Blick auf die Dünen des Erg Chigaga zu werfen; der Kaffee im „Cafe Oskar“ war für den Rückweg allerdings bereits eingeplant. Windig waren die Tage am Rande der Sahara. Zuerst trieb uns der kühle Wind ins Auto, am nächsten Tag war es grau und bedeckt, aber etwas wärmer. Am zweiten Tag ließ uns der warme Wüstenwind, der sich in einen aus dem Norden kommenden Sandsturm verwandelte, bei sonnigem Wetter nicht aus dem Auto! Die Dünen des Erg Chigaga bekamen wir daher nicht zu Gesicht. Die Bedingungen waren für eine Wüstentour wenig ideal.

Die 3 Tage mit Rundblick im Camping LaBoussole, oben auf dem kleinen Hügel am Ortsrand von Mhamid, geschützt hinter einem kleinen Lehmpavillion stehend, haben wir trotzdem genossen. Direkt unterhalb unserer Aussichtsplattform fing die Piste nach Foum-Zguid an. Fahren hätten wir die Piste sicherlich können, aber Hilmar hatte nach den Erlebnissen der letzten Wochen vorerst keine Lust mehr auf unwegsames, abenteuerliches Gelände. Mhamid war somit Endstation. Auf dem Rückweg  konnten wir der Versuchung über den Sonntags-Souk von  Zagora zu stromern, nicht widerstehen.

 
 
Wiederverwertung
Nach einem kurzen Kaffeestopp im „Cafe Oscar“ hieß es schließlich endgültig:
„Auf Wiedersehen, Zagora!“ Mittlerweile fühlten wir uns schon richtig heimisch….