Montag, 16. März 2015

Time to say good-bye

Schweren Herzens haben wir uns dazu entschlossen, morgen, am 17.März, die Fähre zurück nach Spanien zu nehmen. Fast 4 Monate haben wir in Marroko zugebracht, dass so vielfältig, reizvoll und aufregend zugleich ist, an jeder Ecke eine Überraschung bereit hält und einen entweder in seinen Bann schlägt oder für immer und ewig verprellt. Von der Wüste über den Antiatlas ans Meer, ein Abstecher nach Marrakech, über die in Hochlagen noch schneebedeckten Berge wieder zurück in den trockenen Süden mit seinen Oasen und Schluchten.


Landestypischer Transport
Wir können schwer sagen, wo es am schönsten war. Jeder dieser Landstriche hat seine eigenen Reize, seine eigene Kultur, seine Eigenheiten. Der geordnete Rückzug hat gefühlt oberhalb der Thodraschlucht begonnen. Nachdem wir uns dazu entschlossen hatten, den Weg nach Norden einzuschlagen. Seit dem hat sich bei uns ein leichter Wehmut breitgemacht. Zuerst war Hilmar dran, der zeitweilig in leichte Melancholie versank. Nach Meknes, dem wir auch noch einen Besuch abgestattet hatten, übernahm Iris das Klagen. Knapp 4 Monate in einem Land sind eine lange Zeit und was anfänglich fremd, auffällig und aufregend anders war, ist mittlerweile sehr, sehr vertraut. Wir werden es vermissen, das Konzert aus Esel, Hundegebell und regelmäßigen Rufen des Muezzin.
Wir werden es vermissen, beim Kaufen um den Preis zu feilschen.
Wir werden es vermissen, in kleinen, männerbesetzten Cafes am Straßenrand, unseren Cafe noir, cafe au lait oder the a la menthe zu trinken.
Irgendwo und überall
Wir werden es vermissen, nachmittags Kurzgebratenes vom Grill oder eine Tajine zu verspeisen.
Wir werden sie vermissen, die Ziegen- und Schafherden mit ihren Hirten am Straßenrand.
Wir werden es vermissen, alle paar Tage in neue Landschaften einzutauchen.


auf dem Weg zum Markt

Marokko „Auf Wiedersehen“ sagen ist schwerer als gedacht. Wir haben das Reisen in diesem Land als unkompliziert und sehr bereichernd erlebt, unterwegs viele nette Leute kennengelernt und vor allem seit Anfang Dezember keinen Regen mehr gehabt. Sicherlich war es auch hier  um Weihnachten herum kalt, aber der Umstand, dass tagsüber ständig die Sonne lacht, tröstete über einige kühle Tage hinweg. Was wir nicht vermissen werden, ist die fehlende Möglichkeit, zum Fisch auch mal ein Glas Wein zu bestellen und Straßenhändler, die so gar kein Einsehen damit hatten, das man partout kein Interesse an den feilgebotenen Waren hat. Manchmal konnte das lästig sein.

Mittlerer Atlas zwischen Midelt und Kenifra
 
Im fast schon europäisch anmutenden Azrou mit seinen, von unzähligen Storchenpaaren genutzten landesuntypischen Giebeldächern, haben wir uns 5 Tage auf die Rückfahrt eingestimmt. In der Hängematte gefaulenzt, kleine Motorradtouren zu Zedern und Berberaffen unternommen und auf den Impuls gewartet, der uns weiter schickte. Meknes, eine der 4 Königsstädte, lag noch auf der Route und den Stellplatz direkt neben dem bekannten Bab Mansour haben wir auch trotz fehlendem GPS zwar nicht auf Anhieb, aber doch zügig gefunden. Viel war nicht los am Freitagmittag. Die Straßen waren frei und die Männer beim Freitagsgebet in den Moscheen. Erst am späten Nachmittag erwachte die Stadt wieder zum Leben, aber im Souk blieben viele Läden geschlossen. Im Gegensatz zu Marrakech und Fes ist die Medina und der Souk von Meknes nicht ausschließlich auf Touristen ausgerichtet, was uns noch mal einen ganz anderen Flair einer marokkanischen Großstadt erleben ließ. Obwohl das Leben um uns herum abends wieder gewohnt durcheinander und lebhaft in die Gänge kam, war die Nacht mitten im Stadtzentrum sehr, sehr ruhig. Abgesehen von den wilden Hunden, die hier und da ein Konzert gaben.

Meknes - Bab Mansour
Jetzt bereiten wir uns in Asilah, einer kleinen, adretten, aufgeräumten Küstenstadt mit alter Festung und sehenswerter Medina ca 30 Minuten südlich von Tanger auf das Einschiffen vor. Der Zufall hat uns auf dem hiesigen Campingplatz nochmal mit Jörg, unserem Bremer Freund von den blauen Steinen, zusammengeführt. Wir verbrachten einen schönen Tag zusammen und die Melancholie ist fast gewichen.
Asilah
Wir werden vieles vermissen, aber gleichzeitig geht es ja jetzt erst richtig los. Führt uns unser Weg auch erst einmal zügig durch Spanien und Frankreich Richtung Deutschland, geht unsere Reise weiter. Unser Haus haben wir ja dabei. Derzeit können wir beide noch keine Reisemüdigkeit feststellen. Ganz im Gegenteil! Im Sommer letzten Jahres hatten wir die Zeit, die nun hinter uns liegt, in unseren Köpfen als „Urlaub“ deklariert. Hilmar musste sich  erst einmal an seinen Eintritt in den Rentenzustand gewöhnen, unser fahrbares Haus musste einem Langzeittest und Praxistest unterworfen werden. Seit dem 15. Juli 2014 haben wir ca. 15 000 km zurückgelegt, dauerhaft auf sehr begrenztem Raum miteinander gelebt, gestritten und gemeinsam viel erlebt. Mittlerweile sind wir eingespielt bzw. wissen, was geändert werden muss. Für die Veränderungen am und im Auto werden wir uns im Frühjahr in Deutschland Zeit nehmen. Für die zukünftigen Ziele wachsen gerade Ideen, die wir diesen Sommer auf ihre Machbarkeit hin überprüfen werden.

Jetzt heißt es erst einmal – it is time to say good bye, Maroc!


Im Hafen von Asilah

Montag, 9. März 2015

Von Schluchten und Oasen

Nach unserem Abschied von Marrakesch blieben uns für Marokko noch 4 Wochen.
Nun stellte sich die Frage, wohin?

Tizi n Tichka - Pass
Verschiedene Gründe sprachen dafür, nochmal den Sprung über den Hohen Atlas, der sich wie ein Riegel mit Bergen nahe der 4000er Grenze von Ost nach West quer durchs Land legt, zu wagen. Die Schneegrenze war mittlerweile über die 2000er Marke geklettert, die Berge lockten. Der Tizi n Tichka bescherte uns einen wunderbaren Blick, auch wenn Hilmar wenig Muse hatte, das Panorama zu genießen. Die Passstraße schlängelt sich in oft abenteuerlichen Serpentinen die Berge hinauf, der Gegenverkehr ist oft nicht minder abenteuerlich bepackt und zügig unterwegs.

Karl-Heinz hatte uns die Nebenstrecke über Telouet nach Ait Ben Haddou ans Herz gelegt, denn entgegen der Hinweise sowohl in unserem Reiseführer, als auch auf den Landkarten, sei die Gebirgsstraße mittlerweile durchgängig geteert und gut befahrbar.

Kasbah von Telouét

In Telouet gab es eine alte, zwischenzeitlich zwar in Teilen verfallene Kasbah zu besichtigen. Sie hatte bis in die 50er Jahre dem Pascha von Marrakesch gehört, dementsprechend aufwendig waren auch die Repräsentationsräume im Inneren gestaltet, die heute besichtigt werden können.



Die ganze Bandbreite der marrokanischen Handwerkskunst, Mosaik- und filigrane Stuckarbeiten, wunderbar mit Naturfarben bemalte Zedernholzdecken, Fensterläden und Türen, gab es zu bestaunen. Außer uns war so gut wie niemand unterwegs. So hatten wir die Kasbah, das wunderbar gelegene Hochtal und auch die Straße fast für uns allein. Oberhalb einer tief eingeschnittenen Schlucht, in der die Bauern in jedem verfügbaren Fleckchen fruchtbarer Erde, Getreide und Futter für die Tiere anbauen, ging es weiter nach Ait Ben Haddou, einem noch gut erhaltenen Lehmdorf, dass in der Vergangenheit bereits als Filmkulisse herhalten musste.

Von Telouét nach Ait Ben Haddou
 
Ait Ben Haddou
 
Bis nach Quarzarzate, der Filmhauptstadt Marokkos, war es von dort nicht weit und auch das nächste Ziel auf unserer Route, die Oase Fint, 10 km weiter südlich diente schon als Rahmen für den Disney Film „Prince of Persia“. Viele Wüstenfilme, die Hollywood hervorbringt, sind zum Teil hier in der marokkanischen Wüste entstanden. Aber wen wundert es? Ist doch alles ziemlich kompakt nah beieinander und die Landschaft so vielfältig, das sich kaum eine Szene nicht drehen lässt.

In der Oase Fint, in der sich 4 Dörfer in einer Flussbiegung an die Hänge der Schlucht schmiegen, konnten wir hautnah erleben, wie das traditionelle Leben der Berber in den Oasen abläuft.
 
Oase Fint

Die Männer, die wir sahen, saßen meist am Flussufer im Schatten der Palmen und betrachteten das Geschehen. Die Frauen hörten wir bereits morgens um 5, als sie in Scharen mit ihren Eseln an unserem Auto vorbeizogen, um ca. 4 Stunden später, voll bepackt nach 2x10 km Fußmarsch, mit Futter beladenen Eseln wieder zurück zu kommen. Kurz darauf waren dieselben Frauen beim Wäsche waschen anzutreffen. Wer zum letzten Mal in die Verlegenheit kam, seine Wäsche von Hand zu waschen, weiß, wie anstrengend allein das ist.


An unserem nächsten Etappenziel, der Dadesschlucht östlich von Quarzarzate, sahen wir den Frauen dabei zu, wie sie das Futter für die Tiere in den Steilwänden der Schlucht zusammensammelten. Selbst mit Bergstiefeln ein halsbrecherisches Unterfangen, mit Schläppchen, Kleid und Gepäck auf dem Rücken noch viel mehr. Die Schwerstarbeit erledigen hier die Frauen, die Männer kümmern sich um das gesellschaftliche Miteinander. Wir haben vor den Berberfrauen den höchsten Respekt.

Oberhalb der Dadesschlucht

Dadesschlucht

Nach Durchqueren der touristisch aufbereiteten, aber trotzdem faszinierenden Thodraschlucht noch weiter im Osten, wurden wir am Spätnachmittag mit einem idyllischen, störungsfreien Übernachtungsplatz oberhalb der Schlucht belohnt. Die Schneelage ließ zu, dass wir uns am nächsten Tag noch weiter in die Berge hineinwagten. Oft mussten wir, wie auch schon bei der Durchfahrt der Schlucht, kleine Wasserläufe überqueren. Der Schnee in den Bergen schmilzt langsam ab.

Waren wir anfänglich noch sehr beeindruckt, als es 10 bis 20 cm Wasser auf einer klar begrenzten Furt zu durchfahren galt, blieb uns bei der Weiterfahrt nach Rich auf der R 703 vor Amellago kurz der Atem stehen. Wieder waren wir in ein wunderbares Flusstal geraten, steil aufragende Felswände säumten den Weg und plötzlich hieß es: Stopp! Außer einem Traktor war bei unserer Ankunft noch kein anderes Auto am Flußlauf zu sehen. Viele waren uns auf den letzten 30 km auch nicht entgegen gekommen. Ob es daran lag, dass hier kein durch kommen war?

Bevor es für uns weiterging, sondierten wir erst einmal die Lage und sahen zu, wie andere versuchten, die stark wasserführende Furt zu durchfahren.


Einer meinte wohl „Augen zu und durch“, verlor mitten im Fluss den Schwung, blieb an einem Stein hängen und brauchte Traktorenhilfe, um rückwärts wieder herausgezogen zu werden. Die Öllache auf dem Wasser ließ darauf schließen, dass der Traktor ihn erst einmal zum nächsten Mechaniker geschleppt hat. Der routinierte und mit allen Wassern gewaschene Taxifahrer des gelben, vor uns stehenden Mercedes Kombi, ließ erst einmal seine Passagiere aussteigen, bevor er sich mit einem Lachen im Gesicht die Hosenbeine hochkrempelte, um sich selbst ein Bild von der besten Durchfahrtsmöglichkeit zu machen. Das braune, erdige Schmelzwasser machte es unmöglich, den Verlauf oder die Bodenbeschaffenheit der Furt zu sehen. 
Beherzt machte er sich schließlich, vom Traktor abgesichert, auf den Weg, wobei das Taxi mit jedem zurückgelegten Meter immer mehr an Bodenhaftung verlor, aber wohlbehalten das andere Flussufer erreichte. Seine Passagiere hatte er vorher sicherheitshalber in ein größeres Fahrzeug umgeladen. Unser Jonny hat sich bei dem Wasserstand von einem halben Meter gerade mal die Füße nassgemacht, aber aufregend war es auch für uns, den für jede Übung gibt es ein erstes Mal.

Zwischenzeitlich stehen wir, begleitet vom Klappern der nebenan brütenden Storchenpaare, idyllisch unter noch kahlen Obstbäumen auf knapp 1300m in Azrou. Der Hohe Atlas ist ein weiteres Mal, diesmal Richtung Norden, überquert und wir kommen uns vor wie in Meran im Frühling. Uns umgeben Apfelplantagen, Zedernwälder und fruchtbares Frühjahrsgrün. Bevor wir Marokko für dieses Jahr auf Wiedersehen sagen, wollen wir mit Stoppover in Meknes nochmal ans Meer. Dies bedeutet leider auch, dass unser Wiedersehen mit Klaus und Gisi, mit denen wir die ersten Wochen in Marokko gemeinsam unterwegs waren und die uns anfangs Wertvolles zu Land, Leuten und Pistenfahren vermittelten, an der Blauen Quelle in Meski ausfallen wird. Aber der Zug nach Norden war größer - Inshallah.

R 703 nach Rich




Marrakech

Idealer hätten wir nicht parken können!

Vom bewachten Parkplatz unweit der großen Koutoubia-Moschee hatten wir von unseren Reisegefährten von den Blauen Steinen erfahren. Er ließ sich auch ohne GPS gut finden. Bei der Ankunft war unsere Freude groß, sahen wir doch bereits auf den ersten Blick, dass 3 uns bekannte Wohnmobile ebenfalls dort parkten. Zu allererst bekam Iris ihre Frühstückstasse wieder, die sie eine Woche vorher in Amtoudi auf dem Tisch der Stellplatz-Nachbarn vergessen hatte. Immerhin ein Erinnerungsstück an die Bretagne und daher nicht einfach austauschbar. So hat es sich gefügt, dass am 23. Februar, pünktlich zu Iris Geburtstag, eine kleine Runde liebgewonnener Freunde gemeinsam mit uns auf diesen Tag angestoßen hat. Schön wars!

Eigentlich ist Marrakesch eine sehr kleine Stadt. Sie besticht durch ihre Lage am Fuße des Hohen Atlas, dessen schneebedeckte Berge man von den vielen Panoramacafes der Stadt aus genießen kann. Die Innenstadt wäre auch zügig durchwandert, würden nicht tausende und abertausende Geschäfte, Schnäppchen, Händler, Souvenirs etc einem den Weg verstellen. Die Stadt lebt heute von den Touristen, was ihrem Charme und Suchtcharakter unseres Erachtens keinen Abbruch tut. Vor allem ist es eine Stadt, in der man geneigt ist, viel Geld auszugeben! Es ist schwer, den Versuchungen im Souk zu widerstehen und wir mussten uns immer wieder vor Augen führen, dass wir doch kein Haus mehr haben und die ganzen schönen Dinge nicht unterbringen können. Sollten wir je wieder einen Hausstand haben, fahren wir vorher nach Marrakesch und decken uns ein. Der berühmte Hauptplatz der Stadt, der Jemaa-el-Fna, besticht zu jeder Tageszeit mit einem anderen Flair.



Haben tagsüber die Händler, Gaukler, Wasserträger, Akrobaten, Schlangenbeschwörer, Musiker und Geschichtenerzähler ihren Auftritt, wird der halbe Platz bei hereinbrechender Dunkelheit in eine Fressmeile verwandelt, wo an jedem Stand Anwerber versuchen, Hungrige an ihren Stand zu ziehen. Es ist ein wahrer Eiertanz, da heil durchzukommen. Unser Jonny parkte derweil 10 Gehminuten vom Hauptgeschehen entfernt, was uns die unvergleichliche Möglichkeit einbrachte, zwischendurch mal „zuhause“ vorbei zu schauen und uns ein bisschen zu erholen. Nach 3 Tagen haben wir schweren Herzens vom Innenstadtleben Abschied genommen. Gemeinsam mit unserem Bremer Freund Jörg haben wir uns auf dem etwas außerhalb gelegenen Campingplatz vom Trubel erholt. Marrakesch ist definitiv eine Reise wert. Viele, die die Stadt von früher kennen, meinen, dass viel von dem Charme der alten Zeit durch die Zunahme des Tourismus verloren gegangen ist. Wir, die wir sie zum ersten Mal erlebt haben, waren nichts desto weniger fasziniert.