Freitag, 5. Mai 2017

Armenien und seine Klöster



 
Selten hatten wir den Übergang zwischen zwei Ländern so deutlich gespürt, wie zwischen Iran und Armenien. Alles war anders! Die Kultur, die Landschaft, die Menschen. Von der schiitisch islamischen Insel ins christliche Armenien, das eingekeilt zwischen der Türkei im Westen und Aserbaidschan im Osten, für uns ein sehr unbekannter Fleck auf der Landkarte war. 

Durch die Türkei und Aserbaidschan wollten wir nicht fahren, es blieb die Route über die armenischen Berge. Am 24. April kreuzten wir mit einem noch ziemlich unklaren Bild über das, was vor uns lag, gegen Mittag bei Nurduz den Grenzfluss. Unser Ziel war eindeutig Georgien, wo wir in Tbilissi bei der russischen Botschaft zu aller erst für ein Touristenvisum vorsprechen wollten. Unser Plan ist, über Russland Richtung Skandinavien weiter zu reisen, um pünktlich zur Sommersonnenwende am Nordkap – oder zumindest in dessen Nähe – zu sein!


Aber zurück zu Armenien. Bisher hatten wir nur gehört, dass die Straßen schlecht und die Strecken bergig sein sollen. So traf es dann auch zu. Volle Konzentration war gefordert. Für die schöne, meist sonnige Aussicht, hatte Hilmar als Fahrer wenig übrig. Er musste eine einigermaßen akzeptable Route durch die unzähligen Schlaglöcher finden. Es gab auch gute Abschnitte, aber die Teile, in denen kleine Bautrupps liebevoll mit Presslufthammer die vorhandenen runden Löcher in rechteckig Scharfkantige verwandelten, überwog. Irgendwo stand meist auch ein kleiner Teerkocher rum, aber mit dem Auffüllen der ausgehobenen Löcher kamen sie nicht so richtig nach. Hilmars Ziel war es, möglichst zügig durchs Land zu fahren. Iris brachte ihn allerdings des Öfteren von der geraden Linie ab, da sie – mittlerweile etwas belesener – verschiedene kulturelle Highlights am Streckenrand ansteuern wollte. 

Einmal dem Süden Armeniens mit seinen Pässen auf 2 500 m ü. M und den ziemlich trist und frustrierend anmutenden alten sowjetischen Bergbaustädten entkommen, erreichten wir nach 2 Tagen Goris. Hier mussten wir uns entscheiden. Berg Karabach oder weiter durch Armenien? Da Hilmars Fahrplan keine extra Schlenker vorsah, ging es weiter Richtung Eriwan, Armeniens Hauptstadt, die wir nie erreichen sollten.

In Goris hatte uns nochmal kurzfristig der Winter eingeholt. Der Tag zuvor war wunderschön gewesen, allerdings kühlte es zum Abend hin merklich ab. Morgens lag dann tatsächlich Schneematsch auf unserer Windschutzscheibe! Die Wolken hingen tief und Iris musste schweren Herzens auf den ersten kulturellen Highlight verzichten – per Gondelbahn zum bekannten Tatevkloster hinauf zu schweben. Die Berge waren ringsum in Nebel gehüllt, der Ausflug wär für die Katz‘ gewesen.

Aber Tatev ist nicht das einzige Kloster in Armenien, das es zu besichtigen lohnt. Die christliche Vergangenheit des Landes hat an oft sehr exponierten, landschaftlich traumhaft gelegenen Orten, zwischen 1000 und 1300 n. Chr., sehr beeindruckende Klöster und Kirchen entstehen lassen.
Einige davon sind heute UNESCO – Weltkulturerbe, manche in Ruinen und andere, Dank privater Geldgeber, teilweise renoviert. Neben den Kirchen finden sich allerorten auch sog. Khachkars, alte Grabsteine, die teilweise wunderbare und sehr filigrane Steinmetzarbeiten aufweisen. Iris, die sich in Irland ziemlich gut auskennt, wurde oft an die dortige frühchristliche Kultur mit Hochkreuzen, Rundtürmen und Klöstern an exponierten Orten erinnert. Ihre Begeisterung für das armenische Kulturgut war geweckt!

Unser Weg durch den Norden Armeniens führte nach einer im Tal von Kloster Noravank verbrachten Nacht, bei schönstem Wetter über den Selim-Pass, vorbei an einer kurz unterhalb der Passhöhe gelegenen alten Karawanserei, die viele Jahrhunderte Eis und Schnee unbeschadet überstanden hat. Schwere Basaltblöcke prägen das Bild innen und außen, nur spärlich fällt das Licht durch die Deckenöffnungen!



Noravank ist eindrucksvoll am Ende eines einsamen Tales gelegen, früher sicherlich nur durch einen Felsspalt und einen Saumpfad für Esel zu erreichen. Viele Besucher gab es außer uns nicht. So konnten wir die beschauliche Ruhe dieses abgelegenen Ortes wunderbar genießen.





Bevor es ab Wanadsor durch den Debed Canyon Richtung georgische Grenze ging, drehten wir noch eine kleine Schlaufe um den Sevansee. Sevanavank als ehemaliges Inselkloster und Goshavank, im Ortskern eines kleinen, über Serpentinen erreichbaren Dorfes gelegen, lagen auf dem Weg. Wir haben gelesen, dass der Seespiegel des Sevansee, an dessen Ufer wir zwei Nächte verbrachten, früher um 10 m höher lag. Durch Errichtung eines Kraftwerks am Abfluss des Sees kam es zur Absenkung und damit zur fußläufigen Erreichbarkeit des ehemaligen Inselklosters. Hier tummelten sich auch erstmals diverse Souvenirhändler, die tatkräftig versuchten ihre Ware an den Mann zu bringen. 

Wodkarunde

Der alte Dorffriedhof von Noratus am westlichen Seeufer hatte es Iris besonders angetan – viele alte Grabsteine, viele alte Khachkars. Sie war fototechnisch voll in ihrem Element, während Hilmar es sich im Jonny gemütlich machte. Zwischen Wanadsor und georgischer Grenze schlängelt sich auf 80 km der Fluss Debed durch einen beeindruckenden Canyon durch, wobei neben dem Fluss, auch Bahnlinie und Hauptverkehrstrasse verlaufen. Im Talgrund finden sich überall, da wo es möglich ist, stillgelegte, postsowjetische Relikte, die unserem Empfinden nach dem Auge wehtun. In den Orten Sanahin und Haghpat, die oberhalb des Canyons liegen und über Serpentinenstraßen erreichbar sind, befinden sich zwei der Hauptsehenswürdigkeiten Armeniens, die beiden gleichnamigen UNESCO-Klöster. Die wollten am letzten Tag unseres einwöchigen Armenienaufenthalts abschließend besucht werden. 


Die Fahrt durch den Canyon verlief allerdings weniger reibungslos als anfänglich angenommen, denn die ersten 20 km der Strecke waren Baustelle. Anfänglich regnete es zudem wie aus Kübeln, was den teilweise sehr erdigen Untergrund zusätzlich aufweichte. Von Hinweistafeln, die auf eine eventuelle Straßensperrung hinweisen, keine Spur. Mittlerweile hatte die Sonne sich durch die Wolken gearbeitet, gegen Ende der 20 km war das Bauvorhaben Straßenerneuerung, bereits ziemlich weit fortgeschritten.
Und plötzlich – schwere Maschinen und Felsbrocken auf der Straße – nichts ging mehr. Es sollte eine Umfahrung geben, erläuterte uns einer der Bauarbeiter mit Händen und Füßen. Also 2 km zurück und über eine kleine Brücke über den Fluss. Ein Ministräßchen schlängelte sich vor unserem Jonny den Berg hinauf. Für große Fahrzeuge war die Umfahrung allerdings weniger geeignet, musste doch nach wenigen Metern die Bahnlinie unterfahren werden. Unsere anfängliche Skepsis wurde bestätigt – Rien ne va plus –
nichts ging mehr. Wir tasteten uns ein paar Meter in die Unterführung hinein, aber der Reservereifen auf dem Dach verhinderte eine Weiterfahrt. Was war das kleinere Übel? Ihn abzubauen oder zurückzufahren? Wir entschieden uns für die zweite Variante, machten kehrt und suchten auf der Karte die kürzeste Strecke außen herum. Die Baustellenfahrt, inklusive Rücktour, hatte uns 3 Stunden gekostet, die Alternativroute uns jedoch für die Strapazen mit einem schön gelegenen Nachtplatz belohnt.

 
Zurück ins Tal
Im Nachhinein stellte sich heraus, dass von Norden kommend die Straßensperrung sehr wohl gekennzeichnet und die von uns als Alternative gewählte Route die ausgewiesene Umleitungsstrecke war. Hätten sie im Süden des Canyons nicht auch ein Schild aufstellen können? Die Klöster Sanahin und Haghpat haben wir schließlich doch noch erreicht, wobei Haghpat mit Sicherheit das schöner Gelegene von beiden ist. Die Atmosphäre von Sanahin hatte sich uns weniger erschlossen, muss man doch, um das alte Kloster zu erreichen, erst einmal eine Plattenbausiedlung durchfahren, an deren Rand es mittlerweile liegt. Die Wertschätzung und Kultivierung der alten Baudenkmäler sah zu Sowjetzeiten einfach anders aus. Haghpat dagegen liegt als Mittelpunkt eines kleinen Dorfes wunderbar über dem Tal. Das Zwitschern der Schwalben, die in den alten Gemäuern ihre Nester errichtet haben, wird uns noch lange in Erinnerung bleiben. Von dort war es zur georgischen Grenze nicht mehr weit. Am nächsten Morgen sagten wir Armenien ausgeruht Ade und waren keine Stunde später in Richtung georgische Hauptstadt Tbilissi unterwegs.




Sanahin


Haghpat

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

danke ihr lieben fürs mitreisen.....
een heel dikke drukker
gute weiterreise.