Sonntag, 11. September 2016

Durch das "wilde" Kirgistan


Nach unserem Aufenthalt in Bishkek steuerten wir als erstes den Song Köl, einen auf 3000m gelegenen Bergsee, der quasi zu einem der Pflichtziele Kirgistans gehört, an. Um den See zu erreichen mussten wir einen Pass mit 3400 m ü.M. überqueren. Am See sollten die Jurten der Nomaden stehen.





Nach den heißen Tagen in der Ebene und dem Gewusel der Großstadt freuten wir uns auf mongoleiähnliche Abgeschiedenheit. Im Gegensatz zur Mongolei leben die Kirgisen nur noch im Sommer als Halbnomaden in ihren Jurten und hüten das Vieh auf den Sommerweiden in den Bergen. Ende August, pünktlich zum Schulanfang am 1. September, geht es für die meisten mit Sack und Pack und Vieh wieder in die tiefer gelegenen Dörfer. Manche bleiben noch den September über auf den Weiden, aber spätestens im Oktober ist Schluss. Bereits im September können die Nächte klirrend kalt sein, spätestens im Oktober kommt der erste Schnee.  

Unsere Erlebnisse am Song Köl wären sicherlich ganz anders gewesen, hätten wir nicht Clara, eine junge Studentin aus Leipzig, die oben am See eine Mitfahrgelegenheit auf die andere Seeseite suchte, mitgenommen und zu ihrem Zielpunkt gebracht. Aller Wahrscheinlichkeit nach wären wir zum einen nicht um den halben See rumgefahren, sondern hätten uns mit einem Stellplatz auf der Nordseite am Fuße des gerade überwundenen Passes begnügt. Zum anderen hätten wir ohne sie nie Anschluss an ein kirgisisches, auf Touristen ausgelegtes, Jurtencamp gesucht.
Heißwasser und Tee - immer verfügbar
Wir parkten abends in der Nähe des Jurtencamps, in dem Clara seit 3 Jahren arbeitender Weise ihre Sommer verbringt und wurden auch bald schon als Dankeschön für unsere Taxidienste zum Abendessen eingeladen. Am ersten Abend lehnten wir noch ab. Wir waren müde vom Fahren und wollten unsere Ruhe. Das änderte sich am 2. Tag schlagartig. Die 3 Damen, die im Camp für das Wohl der Gäste sorgten, waren neugierig und kamen mit einem kleinen essbaren Gastgeschenk auf einen Besuch vorbei. Die Tatsache, dass wir auch Dusche und WC an Bord haben, machte ihre Runde und sorgte für einen kontinuierlichen Besucherstrom. 

Mit derselben Faszination, mit der die Kirgisen unser „Haus auf Rädern“ bewunderten, betrachteten wir das Ritual der Schafschlachtung in allen Einzelheiten. Schnell, sauber und mit einem im Vorfeld ausgesprochenen Dank an das Schaf wurden während unseres Aufenthalts am See drei Schafe geschlachtet. Viel ist an so einem Tier nicht dran. Außen viel Wolle, innen viel Gras. Die Männer nehmen das Tier auseinander, die Frauen reinigen die Eingeweide und Gedärme. Nichts wird verschwendet, alles wird gekocht und gegessen, wobei die Köchinnen mittlerweile wissen, dass nicht alles, was ein kirgisischer Magen verträgt, auch für uns Europäer genießbar ist.

Für die Gruppe koreanischer Touristen, die am zweiten Tag angekommen war, wurden im kleinen Rahmen Reiterspiele und kirgisische Tänze vorgeführt. Im Gegensatz zu den Mongolen, nutzen die Kirgisen ihre Pferde auch noch im Alltag wesentlich häufiger. Sie sind auf ihren Pferden nicht nur schnell, sie sind auch extrem geschickt und wendig. Oft kommen einem auf der Landstraße Reiter entgegen und vor den Dorfläden sieht man die gesattelten Tiere auf ihre Besitzer warten. Dafür haben wir bisher nicht ein einziges Moped in Kirgistan gesehen, ein fahrbarer Untersatz, der in der Mongolei mittlerweile vor jeder Jurte steht. Auch Iris kam vor unserer Abfahrt noch in den Genuss eines Ausritts, bei dem sie gemeinsam mit Clara über die Hügel am See streifte. 



Edelweißwiese am Song Köl
Zum Abschied wurde uns noch eine Tüte getrocknete, salzige Jogurtbällchen als Proviant mitgegeben. Über deren Geschmack kann man geteilter Meinung sein. Iris liebt sie, Hilmar hasst sie – über Tomatensalat geraspelt schmecken sie aber auch ihm vorzüglich. Danke, Clara, für diesen Tipp! Im Nachhinein müssen wir vor allem unserem Jonny ein großes Lob aussprechen, der uns mal wieder klaglos wie ein Ackergaul über bis dahin unbekannte Höhen getragen hat. Mittlerweile haben wir Kirgistan einmal von Nord nach Süd durchquert und sind Bergpässe über 3000 Höhenmeter gewohnt. In den Höhen werden die besagten Jogurtbällchen zusammen mit Kymis, der vergorenen Stutenmilch, von den Nomaden am Straßenrand angeboten. In tieferen Lagen, bei ca. 2000 m ü.M. gehen die Jogurtbällchen nahtlos in Honig über, um dann in Tallagen zuerst von Äpfeln und später von Feldfrüchten und Wassermelonen abgelöst zu werden. Jeder verkauft seine Produkte am Straßenrand, in den Läden gibt es wenig Frisches.




Viele Möglichkeiten, auf der Berg- und Talfahrt durch Kirgistan nach rechts oder links auszubüchsen, gibt es nicht. Die gut fahrbare Asphaltstraße läuft, nachdem die Bergregionen in der Mitte des Landes überwunden sind, immer am Naryn entlang. Der Fluss ist auf seiner Länge 4 mal gestaut, die Ufer meist steil und unzugänglich. Nur einmal bot sich Gelegenheit auf ein erfrischendes Bad im Stausee, was wir natürlich gleich ausnutzten. 





Denn je näher wir dem Ferganatal im Süden Kirgistans kamen, desto wärmer wurde es. Gerne entflohen wir nochmal der ungewohnten Schwüle und legten einen Abstecher nach Arslanbob ein. Hier sollte es die größten zusammenhängenden Walnussbaumwälder der Welt geben. Zuerst führte die Straße immer an einem Flussbett entlang nach Norden. Wir hatten keine Vorstellung davon, was für ein Ort uns am Talende erwarten würde und sind im Nachhinein froh, dass der Parkplatz im Zentrum des kleinen, lebhaften Bergdörfchens bei unserer Ankunft zumindest eine Lücke zum Wenden ließ.


Das am Hang gelegene Örtchen bot nicht das kleinste Mauseloch am Wegesrand, das sich als Stellplatz für die Nacht angeboten hätte. Aber das örtliche Touristenbüro ist auf Zack und flux wurde uns ein Parkplatz in einem Privatquartier vermittelt, der groß genug für unseren Jonny sein sollte. Mangels Alternative nahmen wir die Offerte an und haben den Aufenthalt bei Muhtar Aka und seiner Frau Amira nicht bereut. Der ältere Herr hieß uns mit Tee in seinem Haus willkommen und wir durften die Tage faulenzend in seinem Tapchan, dem luftigen Freisitz im Garten, verbringen. Amira brachte täglich die Speisekarte vorbei und wir ließen uns Lagman, Plov und Shorpo, die abends ebenfalls im Garten serviert wurden, schmecken. 





Iris nahm die nähere Umgebung unter die Lupe und machte einen Ausflug zur Attraktion des Ortes, dem kleinen Wasserfall und den Walnusswäldern der Umgebung. Bäume hatte sie auch genug entdeckt, aber es hing nicht eine einzige Walnuss dran. Dabei sollte die Ernte erst Mitte September sein. Um das Rätsel zu lösen fehlten uns leider die nötigen Sprachkenntnisse. Muhtar Aka hätte es uns sicherlich erklären können. Nach dem unerwarteten Zwischenstopp mit heißer Dusche und Vollverpflegung, der uns für 3 Tage 24€ kostete, ging es zielstrebig weiter nach Osh, der am Ostrand der Fergana-Tiefebene gelegenen zweitgrößten Stadt Krigistans.

Usbken und Kirgisen unter sich

Walnussbäume
Durch den etwas willkürlichen Grenzverlauf zwischen den 3 Ländern Kirgistan, Usbekistan und Tatjikistan, von denen jeder ein Stück vom fruchtbaren Tal besitzt, ist der Weg nach Osh weiter als es auf den ersten Blick hin erkennbar ist. Da unser Usbekistanvisum nur eine einmalige Einreise ins Land vorsieht, mussten wir einen großzügigen Schlenker nach Osten machen, um die usbekische Grenze zu umfahren. Unsere Idee, unser Fahrzeug den Winter über in Kirgistan zu lassen und die geplante Tour erst im März fortzusetzen, ist mittlerweile gereift. In Osh sollte es bei Muztoo, einem örtlichen Motorradreiseanbieter unter Schweizer Leitung, die Möglichkeit geben, auch größere Fahrzeuge für eine gewisse Zeit unterzustellen. Ein Anruf im Vorfeld hatte ergeben, dass wir wohl gerade so durchs Tor passen würden. Dies wollten wir mit eigenen Augen überprüfen. Und das war gut so, denn die überdachte Einfahrt ist hinten 10 cm niedriger als vorne und wir hätten schon mit dem Presslufthammer den Beton von der Decke meißeln müssen, um die Einfahrt für uns passend zu machen.



Nichts desto trotz nutzten wir die Gelegenheit und den günstigen Parkplatz vor der Einfahrt um mit einer Marschrutka, den kleinen wendigen innerörtlichen Minibussen auf Sprinterbasis, in die Stadt zu fahren um uns die Sehenswürdigkeiten von Osh, den auf der UNESCO-Liste stehenden Suleiman-Berg und den örtlichen Basar, anzusehen. Bisher hatten wir immer zwischen Osh und Bishkek als Winterquartier für unseren Jonny geschwankt. Jetzt war uns eine Entscheidung abgenommen.

Bazarstrasse in Osh
In Bishkek hatten wir bereits einen Platz in Aussicht, den wir nun telefonisch bestätigten. Somit ist auch die weitere Route geklärt. Bevor es aber über Usbekistan und Kasachstan nach Bischkek zurück geht, wollten wir noch einen Abstecher ins wiederum auf 3000 Höhenmeter gelegene Alaital, dessen schneebedeckte Berge Kirgistan im Süden von Tatjikistan trennen, machen. Zu unserem Glück breiteten sich die Berge diesmal in ihrer ganzen Pracht vor uns aus. Schön war es da oben! Wir fuhren so nah wie möglich an Pik Lenin, der mit seinen 7134 m der höchste von ihnen ist, heran. Kurzfristig kam beim Anblick der Yaks und dem Überqueren der abenteuerlichen Brücke nochmal ein bisschen Mongoleifeeling hoch.







Von unserem Stellplatz aus streifte Iris wie gewohnt durch die Hügel und machte dabei Bekanntschaft mit zwei Hirtenbuben, die bald nicht mehr von ihrer Seite wichen. Für Cola und Smarties gab es kleine Gegengeschenke und der Größere von beiden wollte unbedingt ein schönes Foto von sich und seinem Pferd, das er – oh Wunder – trotz seiner jungen Jahre bereits sehr gut beherrschte.


 
Zusammen guckten wir uns die Fotos an und als wir beim Bild vom Jonny auf der Brücke angekommen waren, bekam er einen großen Schreck. Wir mögen doch bitte beim Zurückfahren die andere Brücke nehmen, die wäre eindeutig die sicherere. Jede hatte ihre Vor- und Nachteile, aber wir beherzigten auf dem Rückweg seinen Rat. Nachts war es bereits empfindlich kalt. Die Kirgisen, die das ganze Jahr in ihren Dörfern hier oben leben, bereiten sich auf den Winter vor. Heu wird eingefahren und die Kartoffeln werden geerntet. Auf unserem Weg zurück nach Osh bemerkten wir die ersten Pappeln, die sich langsam gelb färben und anfangen ihre Blätter zu verlieren. 

Der Herbst in Zentalasien ist kurz, der Winter nicht mehr weit. 
Ende Oktober werden wir wohl für eine Pause in Deutschland sein.

2 Kommentare:

klausausadlitz hat gesagt…

Hört sich ja wirklich spannend an, kann es sein, dass es euch da besser gefällt als in der Mongolei?

Es scheint ihr braucht wieder ein Winterquartier, falls ja meldet euch. Gerhard würde sich glaub ich freuen.
Gruesse aus Brasilien
Klaus und Gisi

Anonym hat gesagt…

wie immer war ich wieder früher beim lesen als dein mail kam Iris....nun aber erst der Reaktion.
Hmmm schön und interessant. .es gefällt euch sehr glaube ich .
lass es euch gut gehen und ich hoffe das helmut´s rücken sich berühigt hat.
een heel dikke drukker van mij