Montag, 9. März 2015

Von Schluchten und Oasen

Nach unserem Abschied von Marrakesch blieben uns für Marokko noch 4 Wochen.
Nun stellte sich die Frage, wohin?

Tizi n Tichka - Pass
Verschiedene Gründe sprachen dafür, nochmal den Sprung über den Hohen Atlas, der sich wie ein Riegel mit Bergen nahe der 4000er Grenze von Ost nach West quer durchs Land legt, zu wagen. Die Schneegrenze war mittlerweile über die 2000er Marke geklettert, die Berge lockten. Der Tizi n Tichka bescherte uns einen wunderbaren Blick, auch wenn Hilmar wenig Muse hatte, das Panorama zu genießen. Die Passstraße schlängelt sich in oft abenteuerlichen Serpentinen die Berge hinauf, der Gegenverkehr ist oft nicht minder abenteuerlich bepackt und zügig unterwegs.

Karl-Heinz hatte uns die Nebenstrecke über Telouet nach Ait Ben Haddou ans Herz gelegt, denn entgegen der Hinweise sowohl in unserem Reiseführer, als auch auf den Landkarten, sei die Gebirgsstraße mittlerweile durchgängig geteert und gut befahrbar.

Kasbah von Telouét

In Telouet gab es eine alte, zwischenzeitlich zwar in Teilen verfallene Kasbah zu besichtigen. Sie hatte bis in die 50er Jahre dem Pascha von Marrakesch gehört, dementsprechend aufwendig waren auch die Repräsentationsräume im Inneren gestaltet, die heute besichtigt werden können.



Die ganze Bandbreite der marrokanischen Handwerkskunst, Mosaik- und filigrane Stuckarbeiten, wunderbar mit Naturfarben bemalte Zedernholzdecken, Fensterläden und Türen, gab es zu bestaunen. Außer uns war so gut wie niemand unterwegs. So hatten wir die Kasbah, das wunderbar gelegene Hochtal und auch die Straße fast für uns allein. Oberhalb einer tief eingeschnittenen Schlucht, in der die Bauern in jedem verfügbaren Fleckchen fruchtbarer Erde, Getreide und Futter für die Tiere anbauen, ging es weiter nach Ait Ben Haddou, einem noch gut erhaltenen Lehmdorf, dass in der Vergangenheit bereits als Filmkulisse herhalten musste.

Von Telouét nach Ait Ben Haddou
 
Ait Ben Haddou
 
Bis nach Quarzarzate, der Filmhauptstadt Marokkos, war es von dort nicht weit und auch das nächste Ziel auf unserer Route, die Oase Fint, 10 km weiter südlich diente schon als Rahmen für den Disney Film „Prince of Persia“. Viele Wüstenfilme, die Hollywood hervorbringt, sind zum Teil hier in der marokkanischen Wüste entstanden. Aber wen wundert es? Ist doch alles ziemlich kompakt nah beieinander und die Landschaft so vielfältig, das sich kaum eine Szene nicht drehen lässt.

In der Oase Fint, in der sich 4 Dörfer in einer Flussbiegung an die Hänge der Schlucht schmiegen, konnten wir hautnah erleben, wie das traditionelle Leben der Berber in den Oasen abläuft.
 
Oase Fint

Die Männer, die wir sahen, saßen meist am Flussufer im Schatten der Palmen und betrachteten das Geschehen. Die Frauen hörten wir bereits morgens um 5, als sie in Scharen mit ihren Eseln an unserem Auto vorbeizogen, um ca. 4 Stunden später, voll bepackt nach 2x10 km Fußmarsch, mit Futter beladenen Eseln wieder zurück zu kommen. Kurz darauf waren dieselben Frauen beim Wäsche waschen anzutreffen. Wer zum letzten Mal in die Verlegenheit kam, seine Wäsche von Hand zu waschen, weiß, wie anstrengend allein das ist.


An unserem nächsten Etappenziel, der Dadesschlucht östlich von Quarzarzate, sahen wir den Frauen dabei zu, wie sie das Futter für die Tiere in den Steilwänden der Schlucht zusammensammelten. Selbst mit Bergstiefeln ein halsbrecherisches Unterfangen, mit Schläppchen, Kleid und Gepäck auf dem Rücken noch viel mehr. Die Schwerstarbeit erledigen hier die Frauen, die Männer kümmern sich um das gesellschaftliche Miteinander. Wir haben vor den Berberfrauen den höchsten Respekt.

Oberhalb der Dadesschlucht

Dadesschlucht

Nach Durchqueren der touristisch aufbereiteten, aber trotzdem faszinierenden Thodraschlucht noch weiter im Osten, wurden wir am Spätnachmittag mit einem idyllischen, störungsfreien Übernachtungsplatz oberhalb der Schlucht belohnt. Die Schneelage ließ zu, dass wir uns am nächsten Tag noch weiter in die Berge hineinwagten. Oft mussten wir, wie auch schon bei der Durchfahrt der Schlucht, kleine Wasserläufe überqueren. Der Schnee in den Bergen schmilzt langsam ab.

Waren wir anfänglich noch sehr beeindruckt, als es 10 bis 20 cm Wasser auf einer klar begrenzten Furt zu durchfahren galt, blieb uns bei der Weiterfahrt nach Rich auf der R 703 vor Amellago kurz der Atem stehen. Wieder waren wir in ein wunderbares Flusstal geraten, steil aufragende Felswände säumten den Weg und plötzlich hieß es: Stopp! Außer einem Traktor war bei unserer Ankunft noch kein anderes Auto am Flußlauf zu sehen. Viele waren uns auf den letzten 30 km auch nicht entgegen gekommen. Ob es daran lag, dass hier kein durch kommen war?

Bevor es für uns weiterging, sondierten wir erst einmal die Lage und sahen zu, wie andere versuchten, die stark wasserführende Furt zu durchfahren.


Einer meinte wohl „Augen zu und durch“, verlor mitten im Fluss den Schwung, blieb an einem Stein hängen und brauchte Traktorenhilfe, um rückwärts wieder herausgezogen zu werden. Die Öllache auf dem Wasser ließ darauf schließen, dass der Traktor ihn erst einmal zum nächsten Mechaniker geschleppt hat. Der routinierte und mit allen Wassern gewaschene Taxifahrer des gelben, vor uns stehenden Mercedes Kombi, ließ erst einmal seine Passagiere aussteigen, bevor er sich mit einem Lachen im Gesicht die Hosenbeine hochkrempelte, um sich selbst ein Bild von der besten Durchfahrtsmöglichkeit zu machen. Das braune, erdige Schmelzwasser machte es unmöglich, den Verlauf oder die Bodenbeschaffenheit der Furt zu sehen. 
Beherzt machte er sich schließlich, vom Traktor abgesichert, auf den Weg, wobei das Taxi mit jedem zurückgelegten Meter immer mehr an Bodenhaftung verlor, aber wohlbehalten das andere Flussufer erreichte. Seine Passagiere hatte er vorher sicherheitshalber in ein größeres Fahrzeug umgeladen. Unser Jonny hat sich bei dem Wasserstand von einem halben Meter gerade mal die Füße nassgemacht, aber aufregend war es auch für uns, den für jede Übung gibt es ein erstes Mal.

Zwischenzeitlich stehen wir, begleitet vom Klappern der nebenan brütenden Storchenpaare, idyllisch unter noch kahlen Obstbäumen auf knapp 1300m in Azrou. Der Hohe Atlas ist ein weiteres Mal, diesmal Richtung Norden, überquert und wir kommen uns vor wie in Meran im Frühling. Uns umgeben Apfelplantagen, Zedernwälder und fruchtbares Frühjahrsgrün. Bevor wir Marokko für dieses Jahr auf Wiedersehen sagen, wollen wir mit Stoppover in Meknes nochmal ans Meer. Dies bedeutet leider auch, dass unser Wiedersehen mit Klaus und Gisi, mit denen wir die ersten Wochen in Marokko gemeinsam unterwegs waren und die uns anfangs Wertvolles zu Land, Leuten und Pistenfahren vermittelten, an der Blauen Quelle in Meski ausfallen wird. Aber der Zug nach Norden war größer - Inshallah.

R 703 nach Rich




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