Mittwoch, 26. April 2017

Welcome to my country, welcome to Iran!



Yazd

Dank der Visaverlängerung, die uns letzte Woche in Hamedan unkompliziert erteilt wurde, konnten wir unsere Iranreise in Tabriz in aller Ruhe ausklingen lassen. Von dort waren es nur noch knappe 200 km bis zur armenischen Grenze. Wir brauchten ein paar Tage, um die Eindrücke der letzten Wochen zu verarbeiten. 

Shiraz Bazar
Der Abschied vom Orient fiel uns nicht leicht. Viele Monate waren wir auf den Spuren der Seidenstraße unterwegs gewesen und haben trotz aller Moderne immer wieder Nischen entdeckt, in denen der alte Flair noch zu finden war – vor allem im Iran. Die überdachten Bazare, teilweise noch mit alten Innenhöfen und Moscheen, lassen Bilder vergangener Zeiten wach werden. Hier und da die Reste einer alten Karawanserei, alter Lehmstädte und prächtiger Paläste.
Kharanagh

Insgesamt 5 Wochen haben wir in diesem Land verbracht, das zu beschreiben uns nicht leicht fällt. Hinter uns liegen ereignisreiche Wochen, in denen die Kette der Erlebnisse und Eindrücke nie abgerissen ist. 4500 km haben wir in dieser Zeit zurückgelegt, in denen der Teppich der Gastlichkeit, den die Iraner für Ausländer, insbesondere für Deutsche, weben, nie zusammengerollt wurde. 

Kaum ein Gang durch die Stadt, ein Stehen an der Ampel, ein kurzer Spaziergang im Park, ohne die direkte Ansprache nach dem Woher und Wohin. Oft verbunden mit der Bitte um ein Foto und dem Angebot zu helfen, falls gewünscht. Zuerst gleitet man atemlos auf diesem Teppich durchs Land und irgendwann ist es fast zu viel. Die Sehnsucht nach einem idyllischen ruhigen Stellplatz in der Natur mit Privatsphäre macht sich breit. Zum Glück haben wir eine gute Balance gefunden. 


Picknickeinladung in Chak-Chak

Das dreizehn Tage andauernde Frühlingsfest Navrouz, das zeitgleich mit dem Frühlingsbeginn das iranische Neujahr einläutet, stand kurz nach unserer Einreise unmittelbar bevor. An den ersten 5 Tagen sind zusätzlich alle Ämter und Behörden geschlossen. Es sind Schulferien und die Iraner reisen kreuz und quer durchs Land, um sich gegenseitig zu besuchen. Begleitet wird das Ganze von einer Picknickkultur, die in unseren Breiten ihres Gleichen sucht und einer Unkompliziertheit in Sachen Camping, die uns staunen lässt.
In den Gärten von Tabas
Sobald in einem Park, und davon gibt es in jeder größeren Stadt oder um die Moscheen herum viele, Wasserhahn und öffentliche Toiletten vorhanden sind, kommt das Wurfzelt zum Einsatz und die Decken werden ausgepackt. Unsere ersten beiden Iranwochen standen voll und ganz im Zeichen dieses großen Freudenfestes. War es auf dem Weg von Maschad nach Yazd in der Wüste Kavir, in der wir Sandsturm, Regen und sonnige Oasen vorfanden, noch angenehm leer, durchstreiften wir Yazd quasi auf „Tuchfühlung“ mit urlaubenden Iranern.
Persepolis
Sonnenaufgang in der Oase Garmeh

Alexandergefängnis - Yazd
Persepolis glich dem Münchner Oktoberfest und in Shiraz landeten wir schließlich auf der Suche nach einem freien Stellplatz für die Nacht, auf dem Gelände der Universität, in der Nähe des bekannten, Ruhe versprechenden, Eram-Gartens. Über Nacht durften wir zwar nicht auf dem Campus blieben, aber der diensthabende Wachmann erlaubte uns nach Rücksprache mit seinem Chef, vor der Einfahrt zu campieren. Für die Iraner völlig normal. Sie haben keinerlei Hemmungen, ihr Picknick auch zwischen parkenden Autos am Straßenrand einzunehmen, sofern sie gerade der Hunger überkommt. Abends saßen wir im Fahrerhaus unseres Jonnys und betrachteten völlig fasziniert das Verkehrsgeschehen auf der vorbeiführenden Hauptstraße, das höchstens in Sizilien seines Gleichen findet. Ganze Familien – fast immer ohne Helm – auf dem Moped, Autos im Gegenverkehr und Fußgänger auf der Suche nach einer Lücke zwischen drin.


 
Nächtliche Straßenküche
Vor der Festung in Shiraz
Iraner lieben es zu fotografieren! Die Anzahl der Selfies, bei denen wir den dekorativen Mittelpunkt abgeben, können wir nicht mehr zählen. Unser Jonny kommt hier diesbezüglich sehr ungeschoren davon. Sonst steht er immer im Zentrum des Interesses. Rundhauber, wie unserer, gehören im Iran zum Straßenbild und erst bei näherem Hinsehen bemerken die Leute, dass dieser Rundhauber keine iranische Arbeitsbiene ist. So haben wir auch vertrauensvoll des öfteren diverse Mechaniker konsultiert, die unsere Tankanlage, unseren Kompressor, unsere Bremsen wieder auf Vordermann gebracht und einschlägige Wartungen durchgeführt haben.



Iris hatte sich mit den Kleidervorschriften gut arrangiert, konnte sich aber bis zum Schluss an die eingeschränkte Bewegungsfreiheit schwer gewöhnen. Noch ist es im Land kühl genug, um ob des in der Öffentlichkeit zwingend vorgeschriebenen Kopfschleiers nicht zu verzweifeln. Aber ständig überlegen zu müssen, ob das Kopftuch auch richtig sitzt, ist schon ziemlich nervig. Die derzeitige politische Lage erlaubt allerdings einen gewissen modischen Schick in Bezug auf Kleiderwahl. Bei jungen Damen sind manche Blusen gerade mal hüftbedeckend, die Mäntel tailliert und die Kopfbedeckung frei schwebend über den Hinterkopf drapiert. Nichts desto trotz bestimmen die in ihren schwarzen Tschador gehüllten Frauen das Straßenbild. Dieses Kleidungsstück hält die Damen aber keineswegs davon ab, morgens durch den Park zu walken oder an den allgegenwärtigen Trimmgeräten ihre Übungen zu machen. 

Iris im Mausoleum von Shah Cheraq - Chadorpflicht!
Neben der uns oft zugeraunten Begrüßungsformel „Welcome to Iran“ waren es meist junge Mädchen, die über ein erstaunlich gutes Englisch verfügen und Iris sehr selbstbewusst direkt ansprachen. Englisch lernen erfordert zusätzliches Engagement, da es nur außerhalb des offiziellen Schulbetriebs unterrichtet wird.
Margoon Waterfalls
Neben den üblichen Fragen, wie: „How do you like Iran?“ und „Where do you come from?“ gab es auch sehr spezifische Fragen zu Kopfschleier und Ansehen ihres Heimatlandes im Ausland. Von Shiraz aus wählten wir Richtung Esfahan die Strecke über Yasuj. Durch das Zagrosgebirge ging es auf dem Weg zu den Margoon Waterfalls bis auf 2800 m. ü M. hinauf. Das Gebirge selbst ist kahl, wartet aber mit faszinierenden Felsformationen auf und in den Hochtälern wachsen Walnüsse, Pistazien und Granatäpfel. Noch ist es allerdings zu früh, die Früchte zu ernten. Zurzeit blühen sie farbenfroh und setzen rosa und weiß schimmernde Farbtupfer ins gräulich grüne Allerlei. Leider ist es meist sehr diesig und das Fotografieren macht nur eingeschränkt Spaß.
Noch waren die Feiertage nicht um! Auf dem Weg zu den – ebenfalls sehr gut besuchten Wasserfällen – wunderten wir uns über die alten LKW-Reifenschläuche, die am Straßenrand prall aufgepumpt zum Ausleihen angeboten wurden. Manch Auto hatte einen auf dem Dach, als es uns auf der steilen Bergstraße überholte. Oben staunten wir nicht schlecht, als wir den Iranern dabei zusehen konnten, wie sie mit viel Spaß die letzten Schneefelder des Winters als Spielwiese eroberten. 

Für diese Strecke ließen wir uns Zeit. Keinesfalls wollten wir vor Ende der 13 tägigen Feiertage Esfahan erreichen. Naiv und unwissend wie wir waren rechneten wir nicht damit, dass am Abend des 13ten Tages, den alle Iraner aus einem Aberglauben heraus picknickend im Grünen verbringen, die Parks immer noch gut gefüllt waren. Mittelweile wissen wir, dass der Nachmittag erst um 17 Uhr beginnt und der Tag selten vor Mitternacht endet. Und das auch am letzten Ferientag! Wir waren sehr überrascht, als wir in Zarrinshar, wo wir auf unserer MapsMe-Karte einen optisch ruhig gelegenen Park für die Nacht ausgeguckt hatten, mitten im Verkehrschaos stecken blieben. Der nächste Park, den wir ansteuerten, entpuppte sich als Friedhof. Dort wollten wir nicht bleiben. Wir scheinen etwas ratlos gewirkt zu haben, denn prompt hielt ein Auto neben uns und ein „Can I help you?“ wurde offeriert. Viel English konnte der freundliche Herr nicht, aber es reichte um zu verstehen, dass wir einen Stellplatz für die Nacht suchten. Die Antwort auf unsere Problemschilderung war: „Please, follow me!“ Das Ende vom Lied: ein Parkplatz vor der Tür eines Privathauses, Abendessen im Kreise der, das Neujahrsfest ausklingen lassenden Familie, und viel, viel Herzenswärme. Wie so oft konnten Tochter und Nichte durchaus passabel englisch, womit einer guten Unterhaltung nichts im Wege stand. Nachdem wir morgens an unserem letzten Stellplatz bereits gemeinsam mit einem jungen Baskijary-Nomaden Lieder gesungen und unseren Farsi-Kauderwelschführer auf brauchbare, unterhaltungsfördernde Worte durchsucht hatten, vielen wir gegen Mitternacht todmüde, aber glücklich in unser Bett. Am nächsten Morgen gab es zum Frühstück zwar gewöhnungsbedürftigen Kirchererbsenbrei an Linsenmus, aber den Rest der ebenfalls angebotenen leckeren Datteln wurde zusammen mit selbstgemachtem Rübensirup, den wir am Vorabend kosten durften, als Gastgeschenk mit auf den Weg gegeben. Im mittlerweile menschenleeren Esfahan haben wir anschließend 3 Tage lang mit viel Genuss und Muse die einschlägigen Sightseeing-Highlights abgeklappert. Diese Stadt ist wahrlich etwas Besonderes. Hier lassen wir die Bilder sprechen.
 
Imam - Platz
  



Die Brücken über den Zayanderud
Eingang zur Jame-Moschee
 Mehrab in der Jame-Moschee

Die Sorge, dass wir auf unserem Weg nach Norden nochmal in den Winter kommen könnten, hat unseren Gastgeber aus Zarrinshar dazu veranlasst, uns eine Empfehlung für die weitere Route Richtung Hamedan und Tabriz zu geben. Wir sollten über Sanandasch fahren und von dort Richtung Norden. Letztendlich wurde ein kleiner Zickzackkurs draus. Zum einem konnten die Berge uns nicht schrecken, zum anderen fürchteten wir ob der im Westen des Irans erhöhten Polizeipräsenz um ungestörte Nächte. Auf kleinen Straßen kreuzten wir die Hochebenen zwischen Sanandasch, wo es nicht viel zu sehen gibt, der dortige Stellplatz aber mit zu den schönsten unserer Iranreise gehört, und Zandschan.


Wir kamen an der eindrucksvoll gelegenen alten Festung Tacht-i-Suleiman und dem davor gelegenen Kalksinterkrater vorbei und fanden uns schließlich in Ardabil wieder. Auch Ardabil hat nicht viel zu bieten, außer dem sehr sehenswerten Mausoleum des Sheikh Safi , das wir uns ansehen wollten. Hier hat uns ein ziemliches Unwetter, das mehrere Kilometer weiter südlich in den Bergen zu großen Überschwemmungen mit Todesopfern geführt hat, eine Nacht festgehalten. Der Sturm peitschte den See, an dessen Park wir ein einigermaßen windgeschütztes Plätzchen gefunden hatten, ganz ordentlich. Am nächsten Morgen war der Spuck vorbei und unserer abschließenden Etappe auf der Rundreise durch den Iran Richtung Tabriz stand nichts mehr im Wege.

Givi - kurz vor Ardabil - Gastfreundschaft pur


Ardabil

Wir haben die Reise durchs Land als sehr sicher erlebt. Den etwas chaotischen Straßenverkehr hatte Hilmar stets gut gemeistert und seine Fahrweise den hiesigen Gepflogenheiten angepasst. Iris Bruder hatte uns vor der Abreise noch das derzeit bei Iranreisenden sehr aktuelle Buch „Couchsurfing im Iran“ geschenkt. Somit waren wir einigermaßen über Sitten und Gebräuche im Bilde. Nur zweimal wurden wir ohne weitere Konsequenzen nachts von der Polizei, die um unsere Sicherheit bedacht war, wach geklopft, einmal jedoch etwas genauer unter die Lupe genommen. Hinter Esfahan, unterhalb des Zayanderud-Stausees, hatten wir zu lange in der Nähe der Staumauer parkten. Wir wollten uns nur kurz orientieren. 

Die kleine Straße, der wir dem Lauf des Zayanderud, der zurzeit sehr wasserreich durch Esfahan fließt, gefolgt waren, mündete plötzlich in einen Kreisel samt Parkplatz. Die Straßen rechts und links waren jeweils mit einer offenen Schranke versehen. Wir überlegten noch, ob wir hier vielleicht eine Kaffeepause einlegen sollten, entschieden uns aber dagegen. Es waren höchstens 3 Minuten. Die reichten aus, um das Wachpersonal des Staudamms aufzuschrecken. Auf der Weiterfahrt wurden wir von einem Verkehrsposten, der anscheinend Auftrag hatte uns zu stoppen, raus gewinkt. Prompt kam aus dem nahe gelegenen Ort Chadegan die Polizei angerückt, Hilmars Pass wurde einbehalten und wir zur Polizeiwache eskortiert. Dort wartete bereits ein englisch sprechender Dolmetscher auf uns und wir wurden freundlich, aber bestimmt nach unseren Vorhaben befragt. Letztendlich müssen wir einen sehr vertrauensvollen Eindruck gemacht haben, denn nach ca. 10 Minuten wurden wir, mit der Bitte um Verständnis für die Überprüfung und das Kopieren unserer Pässe, wieder auf die Straße geschickt. Uns ist durch diesen Vorfall erstmals bewusst geworden, wie genau die Ordnungshüter hier im Iran darauf achten, dass alles seinen gewünschten Gang geht. Ab da hatten wir für ein paar Tage das Gefühl, dass man über unsere Durchreise bereits informiert war, wenn wir irgendwo auftauchten.

Zm Abschluss gönnten wir uns in Tabriz Zeit und Privatssphäre. Nach so vielen Nächten, die wir in öffentlichen Parks oder inmitten der urlaubenden Iraner verbrachten war der Passenger -Park eine Insel im Trubel der Großstadt. Bis auf eine Veranstaltung zum Umwelttag, die für die Kinder der angerenzenden Schulen abgehalten wurden, hatten wir den bewachten Park mehrere Tage fast für uns. Wir verbrachten viel Zeit auf der Picknickdecke, zogen unsere Runden durch den wirklich wunderschönen Bazar von Tabriz oder verbrachten auch mal einen Tag mit unserem Jonny in der Werkstatt. Irgendwann war es dann Zeit zu fahren.....















1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hej ihr beide lieben.
So toll auch wieder zu lesen. Und die Bilder! Einfach superschön. Die sprechen echt!
Genieße eure Zeit
Een heel heel dikke drukker aan jullie beide!!