Donnerstag, 4. August 2016

Unser Weg nach Almaty


Hinter uns liegen 2300 km, von der mongolischen Grenze aus gerechnet, und 14 intensive Tage. Mittlerweile haben wir Almaty, die frühere und immer noch heimliche Hauptstadt Kasachstans, erreicht. Als Deutsche dürfen wir uns visa- und registrierungsfrei 15 Tage im Land aufhalten. Was macht man in dieser kurzen Zeit in diesem riesigen Land? 

Kasachstan präsentiert sich - rechts: Mr President
Unsere Ambitionen, uns nach den vielen auf Pisten zurückgelegten Kilometern die raren, aber durchaus vorhandenen landschaftlichen Reize Ost-Kasachstans durch einen Marathon auf schlaglochübersähten Straßen zu erobern, waren gleich null. Daher hatten wir uns im Vorfeld auf eine zügige Durchfahrt nach Almaty geeinigt. Hier soll Kasachstan am schönsten sein. Die schneebedeckten Berge hinter der Stadt machen dem Mount Blanc Konkurrenz und die Stadt selbst hat auch ihre Reize. Immerhin sind seit unserem Aufenthalt in Ulan Bataar 2 Monate ins Land gezogen. Die Sehnsucht nach ein bisschen städtischer Infrastruktur war in den letzten Wochen beständig gewachsen.
 

Die Strecke durch den russischen Altai legten wir in aller Gemütlichkeit zurück. Morgentliches Ausschlafen gehörte mit zu den wichtigsten Disziplinen. Immer mit einem Blick für schöne Plätze zum Anhalten, fuhren wir den Chuisky-Trakt entlang Richtung Barnaul. Die Straße verläuft über viele hundert Kilometer, begleitet von wunderschönen Bergpanoramen, immer an irgendeinem Fluss entlang. 





Die Katun, die schließlich in den Ob mündet, ist der Größte von ihnen und bei Raftern und Flusswanderern beliebt. Viele Gelegenheiten für Abstecher gibt es nicht, die ein oder andere landschaftliche Attraktion am Wegesrand erkennt man an den davor parkenden Autos. Manche Russen verbringen an den Flussufern ihren Sommerurlaub. Unkompliziert stellen sie überall, wo man auch nur ansatzweise mit dem Auto hinkommt, ihre Zelte auf. Das sollte man in Deutschland einmal wagen. 


bei den Kühen auch ;-)
Hinter dem Chike-Taman Pass ändert sich die Landschaft. Wir tauchten in eine grüne Hölle ein. Üppige, saftige, feuchte und überbordende Wiesen säumen nun die Straße. Kurz vor Gorno-Altaisk findet unsere stimmungsvolle Tritschlerei ihr Ende. Die Anzahl der urlaubenden Russen nahm dramatisch zu und ließ uns wenig Freiraum für die Suche nach einem idyllischen Plätzchen. Noch waren wir allerdings nicht bereit, nach Kasachstan weiterzureisen. Ein kleiner Abstecher nach Belokuricha, einem bekannten russischen Kurort am Fuße der nordwestlichen Ausläufer des Altaigebirges, und eine Nacht an einem in der Nähe von Biysk gelegenen Baggersee brachten die erforderliche Ruhe. Mit der Seilbahn auf den Berg und Schwimmen im See sind ein ziemlich profaner Zeitvertreib, aber manchmal ist genau das nötig.

Blick zurück vom Chike-Taman-Pass

Jeder baut Kartoffeln an

Abendstimmung an der Katun hinter Gorno-Altaisk
Im sibirischen Tiefland

Nun waren wir bereit, die anstehende „Durststrecke“ durch das westsibirische Tiefland rund um Barnaul und den Transit durch Kasachstan anzugehen. Die Grenzabwicklung hinter Rubzowsk, einem Ort mit der schlechtesten Umfahrungsstraße der Welt, war sowohl bei der Ausreise als auch bei der Einreise mehr als locker. Der russische Grenzbereich liegt unscheinbar neben der Straße. Außer uns war morgens keiner da. Der russische Zöllner führte mit Hilmar ein Pläuschchen auf Deutsch, vom kasachischen Zöllner gab es einen Handschlag und ein freundliches „Welcome to Kasachstan". Nach einer guten Stunde waren wir durch beide Grenzen durch. Nach anfänglich noch zufriedenstellendem Fahrbahnbelag machten die Straßen ab Semej dem Schweizer Käse Konkurrenz. Der Slalom um die Schlaglöcher und ausgefransten Fahrbahnränder wurde durch sportlich überholende Autos zusätzlich erschwert. Das Fahren erforderte viel Konzentration. Nur das Wetter hatte ein Einsehen. Keine schwüle lähmende Sommerhitze, die sich über die endlos scheinende Grassteppe Kasachstans legte. Es wehte ein kühler Wind, ab und zu gab es auch ein bisschen Regen. Abends fanden wir erholsame Plätze unweit der Straße, kamen gut voran und erreichten nach nur 4 Tagen Fahrt Almaty. 


Nachtplatz ca. 100 km hinter Senej

Nach so vielen Wochen Mongolei kommt uns Almaty wie ein Schlemmerparadies vor. Im Land der Wassermelonen gibt es Früchte, Gemüse und wohlsortierte Supermärkte. Es gibt viele Bäume und Parks, aber auch viele Autos. Es scheint zum guten Ton zu gehören, eines davon zu besitzen. Die Randstreifen der ganzen Stadt sind mit parkenden Autos gepflastert. Man fährt Mercedes, Audi, Lexus oder Kia – gerne auch in der Variante SUV.



Die junge, kasachische Oberschicht hat Geld, das auch ausgegeben werden will. 50 km nördlich der Stadt, außerhalb des Stadtbereichs von Almaty, findet sich dazu in einem der vielen, neuen Casinos, die sich entlang der ebenfalls neuen Autobahn aufreihen, wohl ebenfalls Gelegenheit dazu. Jung, hipp und aufgeschlossen – so haben wir Almaty in den vergangenen Tagen wahrgenommen. Es könnte auch eine Großstadt irgendwo in Europa sein. Und wir fühlen uns hier gerade sehr, sehr wohl. Weder das Gehupe ungeduldiger Autofahrer, noch die damit verbundenen Abgase empfinden wir im Moment als störend. Iris hat sich gestern die Stadt sogar per Fahrrad erobert und so auch stille, schattige Nebenstraßen, die Parks um den Präsidentenpalast und das kasachische Nationalmuseum kennengelernt. 


Gemeinsam sitzen wir in Straßencafes und lassen das Gewusel auf uns wirken. Die angebotene Küche ist vielfältig und verwöhnt unsere Gaumen. Äpfel, die ja der Stadt ihren Namen geben, waren bisher weit und breit außer im Gemüseladen nicht zu sehen! Dort, wo einst am Stadtrand die ersten Plantagen waren, stehen jetzt glänzende Hochhäuser modernster Bauart. Vielleicht sehen wir ja in den nächsten Tagen bei unseren Ausflügen in die Bergwelt mehr davon.



Im Hostel 5 Seasons haben wir ein schönes Plätzchen für unseren Jonny und uns gefunden. Wir dürfen im Hof parken und die Infrastruktur nutzen.


Am Ankunftstag, unserem Hochzeitstag, parkten wir noch gegenüber einer Bowlingbahn am Straßenrand im Stadtzentrum. Eigentlich wollten wir da nur kurz stehen bleiben um uns bei der Registrierungsbehörde OVIR zu vergewissern, ob wir wirklich registrierungsfrei im Land bleiben dürfen. Unterschiedliche Informationen zu diesem Thema hatten uns da etwas verunsichert. Als wir kurz später zu unserem Jonny zurückkehrten, traf uns fast der Schlag. Das Auto hing schräg in den Seilen, einer der hinteren Reifen war platt. Da fährt man 20000 km über Stock und Stein, die schlechtesten Straßen haben wir ohne Reifenpanne überstanden und fangen uns in Almaty einen Metallsplint ein. Der Übeltäter saß tief und lies sich nicht entfernen. Wir hätten uns für unseren Hochzeitstag zwar eine andere Abendunterhaltung gewünscht, aber der Reifen musste runter. Die Arbeit ging uns wenig zielstrebig von der Hand. Wir waren immer noch perplex. Dies ist wohl auch einem der Türsteher der Bowlingbahn gegenüber aufgefallen, der jung und kräftig wie er war, uns anbot, für 2000 Tenge, ca. 5 €, den Reifen für uns zu wechseln. Das ließen wir uns nicht zweimal sagen. Er wechselte noch schnell sein blütenweißes Hemd gegen ein T-shirt und machte sich in schwarzer Bügelfaltenhose und Lackschuhen an die Arbeit.





So schnell wie der frühere Kipplasterfahrer den Reifen gewechselt hatte konnten wir kaum gucken. Nach gefühlten 10 Minuten war er fertig und sehr stolz auf sein Werk. Wir ließen uns nicht lumpen und gaben noch eine Anerkennungsprämie dazu. So war beiden Seiten geholfen. Er hatte einen unerwarteten Zusatzverdienst und Hilmar einen weiterhin intakten Rücken. Die Werkstatt, die den schadhaften Reifen vielleicht noch retten kann, ist auch schon gefunden. Vorher werden wir uns aber noch ein bisschen in der grünen Oase des Hostels erholen!



Am Freitag werden wir uns nach hoffentlich erfolgreichem Werkstattbesuch auf den Weg Richtung Kegen im Südosten des Landes machen. Wir haben noch eine Woche Zeit, bevor es von dort nach Krigisistan, einem Land mit beindruckenden Seen, hohen Bergen und Menschen, die teilweise noch als Nomaden leben, geht. Bischkek, die Hauptstadt Kirgisitans, wird uns aufgrund der zu beantragenden Visa für Iran und Tatschikistan ebenfalls einige Zeit festhalten. Wir sind gespannt, wie sich alles entwickeln wird.

Almaty



1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hy ihr beiden,

Danke für,die tollen Berichte. Ich lese sie immer wieder gerne.
Wir machen uns demnächst in die USA auf.
Doch einen Vergleich mit euren Abenteuersn will ich nicht wagen und dort vielleicht aich nicht haben.
Dafür sind drei Wochen zu kurz.

Liebe Grüsse und bis zu eienm persönlichen Wiedersehen
Sigurd