Samstag, 23. Juli 2016

Westwärts



Unser Abschied von Tunga und Amaraa, unseren Rettern in der Not, war herzlich. Wie in der Mongolei üblich, tauschten wir kleine Geschenke und machten uns mittags auf den Weg. Die uns bereits bekannte Strecke legten wir zügig zurück, übernachteten in Tsetserleg am Kloster und erreichten am nächsten Vormittag Kharkhorin. Hier, wo sich der Orkhon aus den Bergen kommend in die Ebene ergießt, stand einst die legendäre Hauptstadt des mongolischen Großreichs, Karakorum. Wir bewegten uns auf Marco Polos Spuren und blieben 3 Nächte. Einerseits musste Hilmar die defekte Dieselleitung unseres Jonnys reparieren, andererseits mussten wir uns auf unseren ganz persönlichen Rhythmus einschwingen und es gab auch einiges zu sehen. Karl-Heinz hielt an seinem Entschluss, nach Süden in die Gobi zu fahren, fest. Wir wollten uns auf der Südroute, die sich über ca. 1000 km vornehmlich als Naturpiste durch Steppen und Halbwüsten zieht, direkt auf den Weg nach Westen machen.

Blick ins obere Orkhon-Tal

Seit dem 26. Juni sind wir alleine unterwegs. Im Vergleich zur nördlichen, nahe der russischen Grenze verlaufenden Ost-West Passage, hat die Südroute sicherlich weniger spektakuläre Landschaften zu bieten, aber sie ist generell die trockenere Route. Auf unerwartete Flussüberquerungen und Matschwiesen hatten wir definitiv keine Lust mehr. Wir ließen uns Zeit und gingen die Tage ruhig an. Vor unserem Aufbruch wollte noch das Kloster Erdene Zuu besichtigt, die dortige Schildkröte aus Dschingis Khans Zeiten gefunden und der ca. 60 km nördlich gelegene, für seinen Vogelreichtum bekannte See Egii nuur besucht werden. Die Dieselleitung war am Stellplatz unweit der Klostermauern schnell repariert. Schließlich hatte Hilmar dieses Problem bereits vor 2 Jahren in der Bretagne gut in den Griff bekommen. 





Der kleine Umweg über das, in Richtung Ulan Bataar gelegene Khogno Khan Uul, bot Iris nochmal Gelegenheit, ihren Bewegungsdrang auszuleben und eine kleine Wanderung zu machen. Gut erholt machten wir uns Ende Juni schließlich auf den Weg nach Westen. 

Khogno Khan Uul mit Dünen davor




im Khogno Khan Uul
Bis zum Ort Bayankhongor lässt die Teerstraße ein entspanntes Fahren zu. Viel gibt es allerdings auf dem Weg dorthin nicht zu sehen. Die Berge werden kahler, die Hügel flacher, die Landschaft weitläufiger, der Boden sandiger. Die Wüste Gobi ist nicht weit.




Hinter Arwaicheer, einer der üblichen Aimaghauptstädte mit Bank, Lebensmittelladen, Tankstelle und diversen Verwaltungsgebäuden, tauchten rechts, auf einem kleinen Hügel gelegen, viele Stupas auf. Zuerst dachten wir, ein weiteres Kloster würde unseren Weg säumen. Weit gefehlt. Dem Rennpferd war hier ein Denkmal gesetzt, dass imposanter nicht sein kann. Bilder von erfolgreichen Jockeys und lebensgroße Pferdestandbilder von siegreichen Pferden zeigen deutlich, wie wichtig dieses Thema in der Mongolei genommen wird. 

Das jährlich zu Naadam, dem mongolischen Nationalfeiertag stattfindenden Rennen, ist über viele Wochen davor und danach das bestimmende Thema unter den Männern. Zuerst müssen die Pferde, die von Buben, die oft noch keine 10 Jahre alt sind und ohne Sattel geritten werden, trainiert werden. Wir sind ganz zufällig auf unserem Weg durch das Altaigebirge mit unserem Jonny in ein Rennen geraten. Im Vorbeifahren sehen wir noch die vielen Männer und die Pferde unweit der Piste stehen. Wir fuhren weiter einen weitläufigen, leicht ansteigenden Talboden hinauf. Nach ca. 5 km wollten wir nur kurz anhalten um ein Foto zu machen. Das Motiv, das Iris aber vor die Linse kam, war eine fröhlich johlende, auf ihren Pferden heranpreschende Horde Buben, die wohl – gefolgt von Vätern und Brüdern auf Motorrädern - ihr Naadam-Rennen austrugen.



Ab Bayankhongor beginnt die Piste, der wir nun über viele hundert Kilometer folgen sollten. An und ab kam uns ein Geländewagen entgegen, vollgepackte LKW`s und Tanklastzüge sind die vorrangigen Verkehrsteilnehmer. Es ist faszinierend, wie die Fahrer mit ihrem schweren Gerät über die Pisten fegen. Für uns ein Abenteuer, für die Mongolen Alltag. Uns bieten die entgegenkommenden Fahrzeuge die Sicherheit, dass wir auf dem richtigen Weg sind und uns auch kein unvorhersehbares Hindernis zur Umkehr zwingen wird. Die Fahrzeuge werden schon von weitem durch ihre Staubfahne angekündigt. Den Fluss, der noch auf dem Weg lag, haben wir dank der anwesenden Traktorfahrer, ohne deren Hilfe kein PKW die Furt meistern kann, mit Bravour genommen. Bei noch höherem Wasserstand ist eine Durchfahrt wohl kaum mehr möglich.



Flussarm No 1 - Da waren wir schon durch :-)

Flussarm No 2 "in Arbeit"



In der Stadt Altai legten wir am Stadtrand eine eintägige Pause ein. Fast hätte das Treffen mit einem ehemaligen Arbeitskollegen von Hilmar geklappt, der derzeit mit dem Motorrad uns entgegenkommend die Mongolei durchquert.
Stani in unserer Küche :-)
Leider haben wir uns um ein paar Stunden verpasst. Eine Verabredung via e-mail und Handy ist schwierig, wenn es immer wieder weite Strecken ohne nennenswerten Empfang gibt. Dafür hatten Stani und Marta, ein junges Paar am Ende ihrer einjährigen Sabbatjahr-Auszeit, das wir aus dem Oasisguesthouse in Ulan Bataar kannten, auf einen kurzen Plausch angehalten. Dass wir uns in Ölgii, kurz vor der russischen Grenze nochmal begegnen und gemeinsam in der Nähe des Altaistädtchens Tsengel ein paar entspannte „Stehtage“ im Gebirge verbringen würden, konnten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen.



Abends in Altai

Auf der weiteren Strecke bekamen wir einen Einblick in die mongolische Kunst des Straßenbaus. Waren wir anfänglich noch auf Naturpisten unterwegs, wurden wir kurz vor der Stadt Altai mit einem Stück nagelneuer Asphaltstraße überrascht. Danach erlebten wir über knapp 300 km wie eine neue Straße in der Wüste entsteht. Naturpiste, vorbereitete Straße und einzelne Asphaltstrecken lösten sich auf der weiteren Strecke immer wieder ab. Es wird nicht mehr lange dauern und die Durchquerung der Mongolei wird ein Kinderspiel werden. 

Wir machten Pausen, wo es uns gefiel, betrachteten die Berge und vergletscherten Gipfel des Altaigebirges, das sich im Westen des Landes bis auf 4000 m in den Himmel streckt und erreichten 8 Tage nach Verlassen von Bayankhongor die Stadt Ölgii im Westen der Mongolei. 
Blick auf Khovd - von Südosten kommend

zwischen Khovd und Ölgii
 

Blick auf Ölgii
Es ist schwierig unsere derzeitige Stimmung in Worte zu fassen. Die Mongolei war über so viele Jahre unser Sehnsuchtsziel und der Motor dieser Reise, zu der wir Anfang des Jahres aufgebrochen sind. Nun liegt dieses faszinierende, abwechslungsreiche und sehr ursprüngliche Land bald hinter uns. Sicherlich haben wir nur kleine Teile davon gesehen. Aber darum ging es uns nicht. Wir wollten die Mongolei erleben. Dazu gehört es, sich auf die Menschen und ihre Lebensart einzulassen. Wir durften Gastfreundschaft und selbstlose Hilfsbereitschaft erfahren, halfen unsererseits manchem Mongolen, den Reifen seines Motorrads aufzupumpen oder das Auto aus dem Matsch zu ziehen. Ohne dieses gegenseitige Geben und Nehmen könnte ein Leben in diesem weitläufigen Land, indem jeder auf die Hilfe des Nächsten angewiesen ist, nicht funktionieren. Bis auf kleine Ausnahmen haben wir ausschließlich freundliche und fröhliche Begegnungen gehabt, die mangels Sprachkenntnis oft wortlos, aber gestenreich verliefen. Einzig der Wodka macht aus manchen Mongolen einen unberechenbaren und zweitweise aggressiven Zeitgenossen. Und leere Wodkaflaschen gibt es viele. 


Durch die Mongolei zu reisen bedeutet auch, sich auf den Kreislauf des Lebens einzulassen. Von Aasfressern blankgeputzte Knochen und Schädel verendeter Herdentiere begegnen einem auf Schritt und Tritt und getrockneter, zu Paketen verschnürter Kuhdung wird auf den Märkten als Brennmaterial angeboten. Die Menschen haben kaum Berührungsängste, nähern sich ohne Scheu und möchten oft ein gemeinsames Foto, selbst wenn sie es nur kurz auf dem Display der Kamera sehen können.
Die kreisrunden Jurten als Lebensmittelpunkt der Nomaden bringen eine Harmonie mit sich, die sich auf die Menschen überträgt. Jede Jurte ist gleich, aber doch individuell eingerichtet. Rechts, im Osten, die Frauen, links, im Westen, die Männer und der Besuch, im Norden Fotos und ein kleiner Hausaltar – die Türe immer nach Süden. Das jeweilige Bettgestell dient tagsüber als Sitzmöbel und Liege und auch Iris durfte auf der Besuchsliege im Nomadenlager unserer Helfer einmal ein Schläfchen machen. Es ist ein Kommen und Gehen, Kinder sausen herum und jeder Gast bekommt zur Begrüßung ein Schälchen Milchtee in die Hand gedrückt. Kleine Kinder hört man schon von weitem. Jeder weiß, wo sich die kleinen Zwerge gerade aufhalten. Ein Glöckchen am Schuh weist unüberhörbar auf ihren Aufenthaltsort hin. Es ist ein Leben ohne großen persönlichen Freiraum, immer im Kreis der Familie, die in der Mongolei noch das Rückgrat der sozialen Ordnung darstellt. All das nehmen wir tief in unseren Herzen mit auf unsere weitere Reise.

Wir werden in den nächsten Tagen zufrieden, glücklich und bereichert zur nächsten Etappe aufbrechen. Die Mongolei kann uns niemand mehr nehmen.

Stehtage bei Tsengel

Flussoase von Tsengel


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Das Rennen mit den Buben habe ich vor kurzen im Fernsehen gesehen. Zusammen mit noch anderes über der Mongolei .

Anonym hat gesagt…

hej iris, der Kommentar gehört mir....
ilse