Sonntag, 11. Januar 2015

Alltag in Zagora

Zagora
Morgens um 10 nach 9 kam die Sonne über den Djebel Zagora, den Berg, der unseren Campingplatz Oasis Palmier im Südosten überschattete, gekrochen – Zeit zum Aufstehen! Bis der Tee gekocht, das Brot geschmiert und das Frühstück verzehrt waren, konnte es leicht 11 Uhr werden.

Ein Ratsch mit den Nachbarn, vielleicht ein Gang in die Stadt, Autopflege und –endsanden, Wäsche waschen, die Tage vergingen viel zu schnell. Auch hatten wir uns beide eine Erkältung eingefangen, die es galt auszukurieren. Wir genossen es 14 Tage lang, dem Kommen und Gehen auf dem Campingplatz zuzusehen. Manche, die Weihnachten mit uns auf dem Platz verbracht hatten, kamen nach einem mehrtägigen Ausflug ins Erg Chigaga Neujahr wieder. Des Öfteren viel abends eine Horde spanischer, polnischer oder niederländischer Jeeps mit Dachzelten über den Platz herein, die morgens schnell wieder verschwunden waren. Ein zeltender Fahrradfahrer aus Deutschland wurde gesichtet, auch Wohnwagengespanne und konventionelle Wohnmobile. Für jeden gibt es in Marokko die richtigen Straßen und das passende Umfeld. Trotzdem war es sehr ruhig, zu ruhig für diese Jahreszeit. Viele Touristen bleiben dieses Jahr aus. Zeitweise waren wir fast die einzigen auf dem Platz. Der islamistisch geprägte Terrorismus wirkt sich auch hier negativ auf den Tourismus aus. Wir können da nur für uns sprechen – wir fühlen uns wohl und sicher in Marokko und hatten bisher zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, nicht willkommen zu sein. 

Wir haben unseren Aufenthalt in Zagora sehr genossen und die Ruhe gefunden, die wir uns gewünscht hatten. Unser Jonny ist wieder flott. Frisch abgeschmiert, mit neuen Ölen, neuen Filtern und unerwarteter Weise auch mit zwei neuen Blattfedern ausgestattet, fährt er jetzt wieder flüssig und geschmeidig über Stock und Stein. Die Anforderungen der bisher, in Marokko zurück gelegten Kilometer, hatten ihre Spuren hinterlassen. Bei 2 Blattfedern bestand Bruchgefahr. Mohamed Gordito, dem wir unseren Jonny zur Überholung anvertraut hatten, riet zur Sanierung. Dies brachte uns nach dem Ölwechsel einen weiteren Tag in seiner Werkstatt ein.

Aber so schnell und zielstrebig wie seine Mechaniker die Federn aus- und wieder einbauten, konnten wir gar nicht gucken. Die Reparatur fand am Straßenrand statt, da unser Auto für die Werkstatt zu groß war. Hilmar staunte nicht schlecht über die handwerkliche Kunst, die da zutage kam. Die Reparaturen wurden gleich am Anfang unseres Aufenthalts in Zagora durchgeführt. Ab dem 26. 12. standen die Räder still. Wir hatten Zeit uns auf Land und Leute einzulassen.

In den Ort ging es entweder 30 Minuten zu Fuß oder wir winkten uns ein kleines gelbes „Petit Taxi“ heran, dass uns für 4,50 Dirham pro Person (45 Cent) ins Ortszentrum fuhr.

Der obligatorische Gang durch die Markthalle endete meist am „Cafe Oskar“, das, gleich neben der Moschee und vor der örtlichen Patisserie gelegen, ein idealer Ort war, dem Treiben auf der Straße zuzusehen. Das Leben, das sich da vor einem ausbreitete, könnte vielschichtiger nicht sein. Männer in traditionellem Burnus, daneben gestylt in Jeans und Turnschuhen, Frauen mit oder ohne Kopftuch, in Tücher gehüllt oder westlich gekleidet – Marokko lebt von der Vielfalt der Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Vor allem die Schulmädchen, die leicht an ihren weißen Kurzmänteln, die sie über der Kleidung tragen, zu erkennen sind, begegnen uns offen und neugierig und fragen schon einmal, wie man den heißt. Bei unseren Souvenireinkäufen verstand Iris es mittlerweile, mit dem Lächeln einer Mona Lisa, die Preise einfach zu halbieren, was ihr den Respekt der Händler und den Spitznamen „Schlitzohr“ einbrachte. Hilmar genoss es, diesem Geschehen gelassen und schmunzelnd zuzusehen. Zwar besitzen auch wir mittlerweile Dinge, von denen wir vorher nicht wussten, dass wir sie haben wollten. Aber wer rechnet schon damit, dass die freundliche Frage, ob man vielleicht Postkarten MIT Briefmarken bräuchte, im Schmuckladen nebenan endet? Dabei wollten wir doch nur Passbilder für die Visumverlängerung anfertigen lassen!
 
Als Faszinierend haben wir die unzähligen kleinen Werkstätten erlebt, in denen noch viel in Handarbeit hergestellt wird. Schreinereinen und Schlossereien, Schneidereien, Fahrradwerkstätten, Kissen- oder  Zeltnähereinen, alle mit offenen Türen. Und dazwischen immer wieder kleine Gemischtwarenhandlungen, die Waren ordentlich in Regalen bis zur Decke gestapelt und Ladenbesitzer, die das Gewünschte hinterm Tresen hervorzaubern.
Der eine hat Küchenrollen, der andere nicht.
Bei dem einen gibt es Nutella, bei dem anderen dafür wieder was anderes.



Statt Konkurrenz, erleben wir eher eine Geschäftemacherei, die Hand in Hand geht und das Gesuchte wird schon mal beim Nachbarn organisiert. Iris grundlegende Französischkenntnisse reichen für die Bewältigung der Alltagsgeschäfte völlig aus, viele sprechen auch Englisch oder ein paar Brocken Deutsch. Selbst beim Bezahlen hat man noch Freude, sind die Preise nach europäischen Gesichtspunkten doch sehr, sehr niedrig. Aber jede Zeit hat ein Ende und so haben wir uns am 3-Königstag wieder auf den Weg gemacht.

Kurz entschlossen unternahmen wir noch einen Abstecher ins 100km entfernte Mhamid im Süden, um selbst ein Blick auf die Dünen des Erg Chigaga zu werfen; der Kaffee im „Cafe Oskar“ war für den Rückweg allerdings bereits eingeplant. Windig waren die Tage am Rande der Sahara. Zuerst trieb uns der kühle Wind ins Auto, am nächsten Tag war es grau und bedeckt, aber etwas wärmer. Am zweiten Tag ließ uns der warme Wüstenwind, der sich in einen aus dem Norden kommenden Sandsturm verwandelte, bei sonnigem Wetter nicht aus dem Auto! Die Dünen des Erg Chigaga bekamen wir daher nicht zu Gesicht. Die Bedingungen waren für eine Wüstentour wenig ideal.

Die 3 Tage mit Rundblick im Camping LaBoussole, oben auf dem kleinen Hügel am Ortsrand von Mhamid, geschützt hinter einem kleinen Lehmpavillion stehend, haben wir trotzdem genossen. Direkt unterhalb unserer Aussichtsplattform fing die Piste nach Foum-Zguid an. Fahren hätten wir die Piste sicherlich können, aber Hilmar hatte nach den Erlebnissen der letzten Wochen vorerst keine Lust mehr auf unwegsames, abenteuerliches Gelände. Mhamid war somit Endstation. Auf dem Rückweg  konnten wir der Versuchung über den Sonntags-Souk von  Zagora zu stromern, nicht widerstehen.

 
 
Wiederverwertung
Nach einem kurzen Kaffeestopp im „Cafe Oscar“ hieß es schließlich endgültig:
„Auf Wiedersehen, Zagora!“ Mittlerweile fühlten wir uns schon richtig heimisch….

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