Vier
Wochen sind wir durchs Land nördlich des Polarkreises gereist. 4 Wochen, in
denen die Sonne nicht unterging. Die innere Geographie wird auf den Kopf
gestellt und der alte Spruch von der Sonne, die „…im Norden nie zu sehen“
ist, außer Kraft gesetzt. Der Sommer im Norden mag zwar nicht besonders
warm sein, aber lichte und helle Nächte machen ihn sehr, sehr lang.
Wir sind
aber auch angekommen im Land der Sehnsüchte, der nach einsamen Stellplätzen
suchenden Wohnmobilisten, der Richtung Nordkapp strömenden Omnibusse, Motorrad-
und Fahrradfahrer. Einmal am Nordkapp sein! Ist das nicht ein Sehnsuchtsziel
vieler? Wir machen es kurz: Wir haben das Nordkapp geschwänzt :-) Wir haben uns gedacht, dass es
auf ein paar Gradsekunden mehr oder weniger nicht ankommt und sind über die
sehr schöne Küstenstraße nach Havøysund gefahren,
einem kleinen Fischerörtchen westlich vom Kapp.
Dem am Kapp zu erwartenden Rummel
konnten und wollten wir uns nicht aussetzen. Von vielen haben wir
zwischenzeitlich gehört, dass sie in T-Shirt und kurzer Hose traumhafte
Nordkapperlebnisse hatten. Wir hatten unsere auch. In Havøysund folgten wir eine kleine Bergstraße
hinauf dem Wegweiser zum Arctic View Cafe und standen dort einsam und mit
mitternächtlich unverstelltem Blick nach Norden neben dem Restaurant, wo wir
uns vorher aufs köstlichste zu norwegischen Preisen Wildlachs, Ren und
Moltebeeren an frisch gebackenem Mandeltörtchen einverleibt hatten. Dazu gab es
einen wohlschmeckenden Rosé und ein Blick auf die vorbei ziehenden
Hurtigrouten. Wer braucht da noch ein Selfie mit Globus am Kapp? Unsere
Sehnsuchtsziele haben wir in den vergangenen Monaten alle bereist.
Hatten
wir uns in Finnland an die beschaulichen, meist kurvenlosen Fahrten durch die
nördlichen Wälder gewöhnt, bei denen höchstens mal ein Ren die Fahrbahn
kreuzte, springt in Norwegen hinter jeder Ecke das nächste landschaftliche
Highlight ins Auge. Man kommt aus dem Schauen kaum raus! Fjörde, Steine,
Felsen, Berge, Wasserfälle, Kurven, Tunnel, Brücken, Fähren – es ist eine
beständige Abfolge von wechselnden Eindrücken. Die Norweger sind wahre
Weltmeister im Tunnelbau, egal ob das Ding unter dem Meer oder durch den Berg
geschlagen wird. Viele alte Tunnel sind kaum breiter wie zwei PKWs. Wir hoffen oft,
dass uns doch bitte keiner entgegenkommen möge.
Im
Norden des Landes schlängelt sich die E6, die als Hauptschlagader über ca. 3000
km das nahe der russischen Grenze gelegene Kirkenes im Norden mit dem schwedischen
Trellebourg im Süden verbindet, an der Küste entlang und gab auch uns den
Reiseverlauf vor. Je nach Tageslaune unternahmen wir Abstecher und erkundeten die
Stichstraßen, die auf verschiedene vorgelagerte Inseln führten. An den
abendlichen Stellplätzen kamen wir immer öfter mit alten „Norwegenhasen“ ins
Gespräch, die uns mit dem ein- oder anderen Tipp für unseren Weg in den Süden versorgten.
Zwar
haben wir uns per eBook auch einen Reiseführer organisiert, aber beschäftigt
haben wir uns mit diesem Land im Vorfeld überhaupt nicht. Neben der Insel
Sommarøy wurde uns der Besuch der Insel Senja schwer ans Herz gelegt.
Landschaftlich reizvoll, schöner als die Lofoten hieß es. Die Lofoten sollten
wir meiden, da dort um diese Jahreszeit ein Betrieb wie nachts auf der
Reeperbahn herrschen solle. Überwiegend Norweger tummeln sich mit ihren
Wohnmobilen auf der schmalen, weit in das Nordmeer hineinragenden Inselgruppe
mit ihren bizzaren und hoch aufragenden Felsmassiven. In Tromsø, dem lebhaften
und schönen Universitätsstädtchen hoch im Norden, von dem einst nicht nur Roald
Amundsen zu seinen Polarexpeditionen aufbrach, schenkte uns ein gut deutsch
sprechender Schwede eine Broschüre zur RV 17, der alten mit Fähren verbundenen
Küstenstraße, die von Bodø im Norden fast bis Trondheim führt. Es hieß, auch
die Vesterälen seinen einen Besuch wert und so startete mit dem Entschluss, die
erste Fähre von Sommarøy Richtung Senja zu nehmen, ein Inselhüpfprogramm, das
uns bis Sandnessjøen südlich des Polarkreises bringen sollte.
Ein
Abstecher ins Landesinnere sollte uns vor Erreichen Tromsøs nochmal zurück nach
Finnland, zum Dreiländereck, führen. Finnland, Schweden und Norwegen stoßen ca.
35 km von der Küste entfernt in der Nähe vom finnischen Kilpisjärvi, wo die
Jahresdurchschnittstemperatur nicht über -2°C hinausgehen soll, aneinander. Das
einzige Grenzmerkmal ist eine übergroße Betonboje, die seit 1926 den
Grenzverlauf markiert. Kein Grenzposten, keine Kontrollen, nur Landschaft und
der Rentierzaun. Ein Nachbarschaftsverhältnis, an dem sich der Rest der Welt
ein Beispiel nehmen kann. Iris ließ es sich nicht nehmen, den kleinen Ausflug
per Boot und Pedes zum „Grenzpfosten“ zu unternehmen. Hilmar sorgte derweil
fürs leibliche Wohl und stockte die Lebensmittelvorräte im örtlichen Supermarkt
auf. Norwegen ist mit Abstand das teuerste der 3 skandinavischen Länder, ein
Einkauf auf finnischer oder schwedischer Seite schont die Reisekasse erheblich.
Wenn man
Nord-Norwegen bereist kommt man um das Thema Fischen nicht herum. Auch Hilmar
hat ein paar Mal – leider bisher erfolglos - sein Glück versucht. Da war Iris
erfolgreicher, als sie sich auf der Insel Senja, die wir von Tromsø über die
Insel Sommarøy kommend per Fähre erreichten, sich kurz entschossen ein paar
gemütlichen Sportanglern aus der Pfalz anschloss, die am Vortag einen 125 kg
großen Heilbutt aus dem Meer gezogen hatten. Mit Motorboot, Fischnavigation und
professionellem Gerät fuhren sie hinaus aufs offene Meer und Iris kam mit einem
Dorsch zurück. Filetiert und portioniert ruht er nun eingeschweißt in unserem
Kühlschrank und wartet etappenweise auf seinen Verzehr.
Wobei das mit dem
Sportangeln so eine eigene Sache ist. Als Angler darf man 15kg Fischfilet pro
Person aus Norwegen ausführen, was wohl auch die zwei Finnen, die wir an
unserem Nachtplatz in der Nähe von Alta trafen, dazu animierte, ihr Glück auf
dem Meer zu suchen. Nur waren sie wohl nicht so geübt darin, ihr Boot in einem
den Gezeiten unterliegenden Gewässer ins Wasser zu lassen. Sie hatten sich beim
Verladen des Bootes nach erfolgreicher Angeltour mit dem PKW im Kies
festgesetzt und mussten heraus gezogen werden. Mit unseren Bergeseilen, die wir
das letzte Mal in der Mongolei benutzt hatten, bekamen wir das Auto schnell wieder
flott und die entsprechenden Fische zum Abendessen dazu. Am nächsten Morgen
bekamen wir erst durch einen kleinen Menschenauflauf, der sich unweit unseres
Autos am Ufer zusammen gefunden hatte, mit, dass sich derselbe Angler ein
zweites Mal recht ungeschickt angestellt hatte. Diesmal hatte er wohl das Boot
bei Ebbe ins Wasser gelassen und vergessen, dass es Gezeiten gibt. Allerdings wurden
diesmal nicht wir, sondern die Feuerwehr zu Hilfe geholt, die das in der einlaufenden
Flut schon halb eingetauchte Auto samt Trailer wieder aus dem Wasser zog. Dem
Finnen waren wohl die großen Dorsche, die er am Tag zuvor gefangen hatte, vor
lauter Freude zu Kopf gestiegen!
Wie uns
ans Herz gelegt, besuchten wir die Inseln Sommarøy und Senja, tingelten auf den
Vesterälen über mehrere Inseln und feierten an einem kleinen Strand am
westlichsten Zipfel der Insel Langøya bei schönstem Sommerwetter Hilmars
Geburtstag. Letztes Jahr hatten wir kurz vor diesem Datum die Mongolei
verlassen und es uns an einem Bach im russischen Altai gemütlich gemacht. Wo
ist nur die Zeit geblieben? Die Lofoten ließen wir rechts liegen und nahmen die
Fähre von Lødigen nach Bognes, um die nächsten 200 km zügig auf der E6 weiter
Richtung Süden, nach Bodø, zu fahren.
Auf der Insel Sommarøy |
Küstenfahrt auf Senja |
Andernes auf den Vesterälen |
Die Lofoten - von Norden gesehen |
Hilmars Geburtstagsstrand |
Dort
liegt der Startpunkt des Kystriksveien, der RV 17, der wir ein gutes Stück nach
Süden folgen wollten. Der Wetterbericht versprach nach mehreren sehr
wechselhaften, kühlen Wochen für diesen Küstenabschnitt eine Woche Dauersommer
– also nix wie hin!
Eigentlich wollten wir uns in Bødo von einem Aussichtshügel
aus die Stadt und die umliegenden Berge ansehen. Leider war die Zufahrt für LKW
verboten. Der Alternativplan führte uns für die Nacht mitten in die Stadt und
hinauf in den 17. Stock des Scandic Hotels. Umlaufende Terrasse, wunderbarer Abend und
traumhafter weiter Blick waren der Lohn für die wohl teuersten 2 Glas Wein
unseres Lebens. Wir haben sie mit großem Genuss sehr langsam geleert.
Wer sich
auf die RV 17 begibt, muss Zeit mitbringen. Kaum fährt man ein paar Kilometer,
führt die Straße wieder geradewegs auf eine Fähre, die einen auf die nächste
Festlandsnase bzw. größere Insel bringt. Wir liegen mit unserem Jonny in der
Gesamtlänge so ziemlich genau unter 7 m. Dadurch halten sich die Kosten im
Rahmen. Bei dem schönen Wetter hatten wir bei unseren Fährtraversen eine
hervorragende Sicht auf die Küste. Manch Hurtigroutenpassagier wäre neidisch
geworden! Den Hurtigrouten sind wir auf
unsere Reise bisher öfter begegnet. Am Artic View Cafe fuhr sie an unseren Füßen
vorbei, in Hammerfest lief das Schiff gerade ein und in Sandnessjøen sahen wir
beim Verladen der wenigen PKWs zu, die der Dampfer mitnehmen kann. Per Aufzug
werden sie in den Bauch des Schiffes verfrachtet. Sehr spannend.
Auch für die
am Wegesrand liegenden landschaftlichen Highlights konnten wir uns ausreichend
Zeit nehmen. Kurz hinter Bødo quert die RV 17 den Saltstraumen, den
weltstärksten Gezeitenstrom, der vor allem bei Flut zu Neu- bzw. Vollmond seine
größte Macht entfaltet. Es gurgelt und zischelt, strudelt und wüsste man nicht,
dass man an einer Meeresenge steht, könnte man meinen, in einen reißenden Fluss
zu blicken.
Oder der Svartissengletscher, der sich ein paar Meter über
Meeresniveau quadratkilometerweit über die Berge erstreckt und an verschiedenen
Fjörden noch seine Zungen Richtung Meer schiebt. Iris hatte gelesen, dass man
von der Dammkrone des Holmvassdammen einen hervorragenden Blick auf den
Gletscher haben sollte. Der Weg dorthin führte allerdings durch zwei
unbeleuchtete Tunnel, davon einer über 2 km lang, kurvig und bergauf. Nach
anfänglichem Zögern und einer am Fuße des Tunnels verbrachten Nacht gab es am
nächsten Morgen kein Halten mehr. Augen zu und durch! Wir wurden mit herrlichen
Aussichten auf Berge und Gletscher belohnt.
Unser
weiterer Weg wird uns wieder ins Landesinnere Richtung Schweden führen. Mitte
August haben wir dort in der Nähe des Vättersees eine Verabredung. Stockholm
wollen wir uns auch noch ansehen, für Oslo bleibt da wohl keine Zeit mehr. Aber wir wissen jetzt schon – Skandinavien
sieht uns wieder!
Helgelandbrua bei Sandnessjøen |
5 Kommentare:
....das Licht in Skandinavien:-))) einfach toll. Ich liebe das so. Wenn ich das alles lese und sehe, da weiß ich : Skandinavien ist einfach Wunderbar. Ich bin da auch noch nicht ausgesehen.
Wahnsinnig schöne Gegenden habt ihr gesehen. Cool!
Geniesse die letzte mehrere Wochen noch.
een heel heel dikke drukker van mij
(in Stockholm, Södermalm nicht vergessen anzuschauen!!. Das alte Arbeiterviertel Stockholm mit viele alte Hauser von damals und schöne Aussichten auf die andere Stockholm Inseln. Auch etwas andere Laden gibt es dort, nicht die die einen überall sieht)
Sehr schön und zum miterleben geschrieben. Dazu die tollen Fotos. Bitte mehr davon. Euch eine weiterhin erlebnisreiche Weiterfahrt und ein gemächliches akklimatisieren. Liebe Grüße Andreas
Gespannt verfolgen wir stets euren Jonny und seine getreuen Reiter.
Tolle Bilder aus dem Norden! Wir bekommen immer mehr Fernweh ...
...und suchen fleißig nach dem passenden Untersatz für unsere Sehnsucht bald.
Grüße aus Hamburg von Annette (aus Germering) und Ingo.
Sehr schön die Lichtstimmung beschrieben. Und der Tipp mit dem Holmvassdammen war Gold wert!
--max, inzwischen über Russland heim gefahren
Ach, wenn ihr mehr friedliche Dreiländerecke schauen wollt, ist bei Aachen & Ouren jeweils Europa so wie es sein soll zu bewundern ;-)
--max
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