Von der armenischen Grenze bis Stepanzminda – früher Kazbegi
-, dem kleinen Bergdorf an der georgischen Heeresstraße mit seinem bekannten
Postkartenmotiv, dem kleinen Kirchlein oben auf dem Berg, sind es auf direkter
Nordsüd-Achse gerade mal 225 km. Bis Russland ist es nicht mehr weit. 10 km die
Straße runter liegt die Grenze.
Man könnte dieses kleine Land im Kaukasus
bequem an einem Tag durchqueren. Es ist doppelt so breit wie hoch, also ca. 450
km von Ost nach West. Ziemlich zentral, etwas rechts von der Mitte, liegt wie
der Knoten einer Schleife Tbilisi, die Hauptstadt, an der man immer wieder
vorbei muss. Drei Wochen Georgien neigen sich dem Ende zu, dreimal haben wir
den Mittelpunkt der Schleife durchfahren und dabei stattliche 1800 km zurückgelegt.
Drei Wochen mit wechselhaftem, zuletzt ziemlich feuchtem Wetter, üppig
sattgrünen Wäldern, dem Gefühl der Leichtlebigkeit, mit kulinarischen
Highlights und gutem Wein, den hohen Bergen des Kaukasus und dem Schwarzen Meer.
Georgien fühlt sich entspannt an. Georgien ist ein Land, in dem man sich gut erholen
kann. Bereits der Grenzübertritt war so wunderbar anders – ohne
großen Formalismus – einfach geschmeidig, kurz und knapp.
Schildkrötensee |
Wie sollen wir die Woche bis zur Abholung der Visa
verbringen? In der Stadt bleiben? Nach Batumi ans Meer fahren? Iris wollte sich
zuallererst ein Bild von der Stadt machen, was für sie gleichbedeutend mit
langen, ausgedehnten Fußmärschen ist. So schnürte sie am nächsten Tag die
Wanderschuhe und begab sich auf einem Höhenweg Richtung Altstadt.
Stadtteil Sololaki unterhalb der Festung |
Das Höhlenkloster Davit Gareja und in die
Weingegend Kakheti waren das Ziel. Wir genossen die überschaubaren Tagesetappen, die neben
dem Fahren auch Zeit für Ausschlafen, Besichtigungen, Spaziergänge und
Erkundungen ließen. Angenehme Stellplätze für die Nacht waren leicht gefunden
und die Temperaturen, von dem ein oder anderen Gewitter abgesehen, schon fast
sommerlich.
Die Strecke zum unweit der aserbaidschanischen Grenze gelegenen Höhlenklosterkomplexes Davit Gareja, führt auf ziemlich schlechter Straße durch einsame, zunehmend baumlose, hügelige Landschaft. Hier und da ein Schäfer mit seinen Schafen, die wie Rasenmäher dafür sorgen, dass das Gras immer schön kurz bleibt.
Der Namensgeber der Anlage war einer von 13 syrischen Mönchen, die im 6. Jahrhundert das Christentum nach Georgien gebracht haben. Nach wechselvollen Zeiten findet heute in einem Teil der Anlage, im Kloster Lavra, wieder klösterliches Leben zwischen den Höhlenwänden statt. Ein anderer, verlassener Teil, Udabno, ist für seine alten Fresken, die die Höhlenwände zieren, bekannt. Wir hatten von den giftigen Schlagen gelesen, die es in dieser Gegend geben soll. Einen Hinweis, den wir durchaus ernst nahmen. Der Weg nach Udabno führt durch buschiges Gelände steil den Hang hinauf. Prompt hatten wir auf halbem Weg ein gut meterlanges Exemplar beim Dösen auf dem warmen Erdpfad aufgeschreckt. Flux verschwand sie knapp vor unseren Füßen in den Büschen. Die kleine Begegnung hatte uns einen gehörigen Schreck versetzt, was uns dazu veranlasste, den Rückzug anzutreten. Wir hatten plötzlich keine große Lust mehr, weiter durch die Gegend zu streifen und zogen am nächsten Morgen Richtung Sighnaghi, einer hübschen kleinen Stadt mit, lt. Reiseführer, italienischem Flair und schöner Aussicht auf die Berge des Kaukasus, weiter. Die Aussicht blieb uns zwar verborgen, aber ein leckeres Lokal haben wir entdeckt, indem wir uns aufs Feinste bewirten ließen.
Georgien ist nicht nur ein an Wein, sondern auch an Wasser
reiches Land. Viele Quellen liegen am Wegesrand und unzählige Flüsse und Bäche
durchziehen die Ebenen. Der Alazani, der mit seinen Zuflüssen die Landschaft
Kakhetis prägt, schlängelt sich gesäumt von Weingütern und grünen Wiesen, wie
nahezu alle Flüsse Georgiens frühlingshaft, wasserreich und ungezähmt
mäandrierend durchs Tal. Hier und da sind alten Kirchen, Kathedralen und Festungen
zu bewundern, die – teils in Ruinen oder renoviert – besucht werden können. Von
der Provinzhauptstadt Telavi, in der es neben einer sehenswerten schnuckeligen
Altstadt einen ebenso schnuckeligen, sehr sympathischen kleinen Bazar gibt, ging
es nach 5 Tagen „Urlaub“ über den überwiegend von Wäldern gesäumten Gombori-Pass
zurück nach Tbilisi.
Dort wollten wir zuerst einen zentrumsnahen Stellplatz
aufsuchen, von dem wir über Bekannte erfahren haben. Bei Besichtigung war
dieser allerdings komplett zugeparkt, was uns dazu veranlasste, wiederrum am
Schildkrötensee Zuflucht zu nehmen. Zwar mussten wir um in die Stadt zu kommen in
Taxifahrten investieren, aber mehr als € 5 haben wir für die Strecken nie
bezahlt. Wie es der Zufall will, liefen uns am Parkplatz Markus und Conny in
die Arme, die wir bei unserem ersten Stopp in der Stadt im „Lokal mit Aussicht“
kennen gelernt hatten. Er ist für 2 Jahre Lehrer auf Austausch und hier im
aktiven Schuldienst eingebunden. Sie hatten uns in Bezug auf die georgische
Mentalität etwas hinter die Kulissen schauen lassen und luden uns spontan, ganz
der geselligen, georgischen Lebensart verpflichtet, für den Abend zu sich nach
Hause zum Essen ein – eine Einladung, die wir gerne annahmen und sehr genossen
haben.
Am nächsten Tag wurden uns unsere Pässe mit Visa pünktlich
zur vereinbarten Stunde ausgehändigt. Ein Gefühl der Entspannung machte sich
bei uns beiden breit. Für unseren Russlandtransit nach Skandinavien konnten wir
uns ab dem 20. Mai nun 30 Tage Zeit nehmen. Für uns, die wir mit unserem Jonny
an langsames Reisen gewohnt sind, eine große Erleichterung. Für die Erkundung
der Stadt nahmen wir uns ohne Stress die Zeit, die wir brauchten. Überall gibt
es etwas zu schauen, kleine Gassen und Hinterhöfe zu erforschen, alte und
renovierte Jugendstilfassaden zu bestaunen und natürlich jede Menge
Gelegenheiten, sich zu zivilen Preisen in einem der unzähligen Cafes und
Restaurants zu verköstigen. Das Flair des alten Stadtzentrums nahm uns schnell
gefangen, aber nach 3 Tagen hieß es Abschied nehmen. Noch stand die Erkundigung
Westgeorgiens auf dem Plan.
Mittlerweile hielten die anfänglich nur vereinzelten
Regenschauer oft den ganzen Tag an. Nach sorgfältigem Studium der
Großwetterlage haben wir bei der Planung der „Westschleife“ versucht, den
Besuch des imposanten, im kleinen Kaukasus gelegenen Höhlenklosters Varzia, den
Abstecher ans Schwarze Meer und das Befahren der georgischen Heeresstraße so zu
timen, dass wir auch Aussicht auf regenfreie Tage, vielleicht sogar etwas Sonne
hatten. Und – wir hatten Glück! Batumi und Svaneti müssen wohl ein anderes Mal
besucht werden. Die Abstecher dorthin hätten sich weniger gelohnt.
Auf dem Weg nach Vardzia |
Vardzia |
Am Schwarzen Meer 10 km südl. von Poti |
Unterwegs begegneten uns immer wieder berittene Hirten mit ihren Schafherden, Kühe kreuzen den Weg und hier und da durchstöberte auch eine Sau den Straßengraben nach Essbarem. Iris hatte in den Internetnachrichten gelesen, dass wegen einer freilaufenden Herde Rindviecher, irgendwo in Sachsen eine Bundesstraße über mehrere Stunden gesperrt war. Darüber können wir nur schmunzeln. Wir wissen jetzt schon, dass wir in Deutschland die alltägliche Begegnung mit Hund, Schaf, Pferd, Kuh und Schwein, mit denen wir die öffentlichen Straßen teilen, sehr vermissen werden.
Apropos Hund – davon gibt
es in Georgien ziemlich viele – freilaufend, freilebend, am Straßenrand
überlebend. Erstaunlich ist – sie sind alle sehr friedlich und entspannt. Wie
die Georgier selbst. Das Georgien irgendwann mal wieder auf unserer Reiseliste
stehen wird, ist ziemlich gewiss.
Kazbegi |
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen