Unser Abschied von Tunga und Amaraa, unseren Rettern in der
Not, war herzlich. Wie in der Mongolei üblich, tauschten wir kleine Geschenke
und machten uns mittags auf den Weg. Die uns bereits bekannte Strecke legten
wir zügig zurück, übernachteten in Tsetserleg am Kloster und erreichten am
nächsten Vormittag Kharkhorin. Hier, wo sich der Orkhon aus den Bergen kommend
in die Ebene ergießt, stand einst die legendäre Hauptstadt des mongolischen
Großreichs, Karakorum. Wir bewegten uns auf Marco Polos Spuren und blieben 3
Nächte. Einerseits musste Hilmar die defekte Dieselleitung unseres Jonnys
reparieren, andererseits mussten wir uns auf unseren ganz persönlichen Rhythmus
einschwingen und es gab auch einiges zu sehen. Karl-Heinz hielt an seinem
Entschluss, nach Süden in die Gobi zu fahren, fest. Wir wollten uns auf der Südroute,
die sich über ca. 1000 km vornehmlich als Naturpiste durch Steppen und
Halbwüsten zieht, direkt auf den Weg nach Westen machen.
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Blick ins obere Orkhon-Tal |
Seit dem 26. Juni sind wir alleine unterwegs. Im Vergleich
zur nördlichen, nahe der russischen Grenze verlaufenden Ost-West Passage, hat
die Südroute sicherlich weniger spektakuläre Landschaften zu bieten, aber sie
ist generell die trockenere Route. Auf unerwartete Flussüberquerungen und Matschwiesen
hatten wir definitiv keine Lust mehr. Wir ließen uns Zeit und gingen die Tage
ruhig an. Vor unserem Aufbruch wollte noch das Kloster Erdene Zuu besichtigt,
die dortige Schildkröte aus Dschingis Khans Zeiten gefunden und der ca. 60 km
nördlich gelegene, für seinen Vogelreichtum bekannte See Egii nuur besucht
werden. Die Dieselleitung war am Stellplatz unweit der Klostermauern schnell
repariert. Schließlich hatte Hilmar dieses Problem bereits vor 2 Jahren in der
Bretagne gut in den Griff bekommen.
Der kleine Umweg über das, in Richtung Ulan
Bataar gelegene Khogno Khan Uul, bot Iris nochmal Gelegenheit, ihren
Bewegungsdrang auszuleben und eine kleine Wanderung zu machen. Gut erholt
machten wir uns Ende Juni schließlich auf den Weg nach Westen.
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Khogno Khan Uul mit Dünen davor |
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im Khogno Khan Uul |
Bis zum Ort
Bayankhongor lässt die Teerstraße ein entspanntes Fahren zu. Viel gibt es
allerdings auf dem Weg dorthin nicht zu sehen. Die Berge werden kahler, die
Hügel flacher, die Landschaft weitläufiger, der Boden sandiger. Die Wüste Gobi
ist nicht weit.
Hinter Arwaicheer, einer der üblichen Aimaghauptstädte mit
Bank, Lebensmittelladen, Tankstelle und diversen Verwaltungsgebäuden, tauchten
rechts, auf einem kleinen Hügel gelegen, viele Stupas auf. Zuerst dachten wir,
ein weiteres Kloster würde unseren Weg säumen. Weit gefehlt. Dem Rennpferd war
hier ein Denkmal gesetzt, dass imposanter nicht sein kann. Bilder von
erfolgreichen Jockeys und lebensgroße Pferdestandbilder von siegreichen Pferden
zeigen deutlich, wie wichtig dieses Thema in der Mongolei genommen wird.
Das
jährlich zu Naadam, dem mongolischen Nationalfeiertag stattfindenden Rennen,
ist über viele Wochen davor und danach das bestimmende Thema unter den Männern.
Zuerst müssen die Pferde, die von Buben, die oft noch keine 10 Jahre alt sind
und ohne Sattel geritten werden, trainiert werden. Wir sind ganz zufällig auf
unserem Weg durch das Altaigebirge mit unserem Jonny in ein Rennen geraten. Im
Vorbeifahren sehen wir noch die vielen Männer und die Pferde unweit der Piste
stehen. Wir fuhren weiter einen weitläufigen, leicht ansteigenden Talboden
hinauf. Nach ca. 5 km wollten wir nur kurz anhalten um ein Foto zu machen. Das
Motiv, das Iris aber vor die Linse kam, war eine fröhlich johlende, auf ihren
Pferden heranpreschende Horde Buben, die wohl – gefolgt von Vätern und Brüdern
auf Motorrädern - ihr Naadam-Rennen austrugen.
Ab Bayankhongor beginnt die Piste, der wir nun über viele
hundert Kilometer folgen sollten. An und ab kam uns ein Geländewagen entgegen,
vollgepackte LKW`s und Tanklastzüge sind die vorrangigen Verkehrsteilnehmer. Es
ist faszinierend, wie die Fahrer mit ihrem schweren Gerät über die Pisten
fegen. Für uns ein Abenteuer, für die Mongolen Alltag. Uns bieten die
entgegenkommenden Fahrzeuge die Sicherheit, dass wir auf dem richtigen Weg sind
und uns auch kein unvorhersehbares Hindernis zur Umkehr zwingen wird. Die
Fahrzeuge werden schon von weitem durch ihre Staubfahne angekündigt. Den Fluss,
der noch auf dem Weg lag, haben wir dank der anwesenden Traktorfahrer, ohne
deren Hilfe kein PKW die Furt meistern kann, mit Bravour genommen. Bei noch
höherem Wasserstand ist eine Durchfahrt wohl kaum mehr möglich.
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Flussarm No 1 - Da waren wir schon durch :-) |
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Flussarm No 2 "in Arbeit" |
In der Stadt Altai legten wir am Stadtrand eine eintägige
Pause ein. Fast hätte das Treffen mit einem ehemaligen Arbeitskollegen von
Hilmar geklappt, der derzeit mit dem Motorrad uns entgegenkommend die Mongolei
durchquert.
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Stani in unserer Küche :-) |
Leider haben wir uns um ein paar Stunden verpasst. Eine Verabredung
via e-mail und Handy ist schwierig, wenn es immer wieder weite Strecken ohne
nennenswerten Empfang gibt. Dafür hatten Stani und Marta, ein junges Paar am
Ende ihrer einjährigen Sabbatjahr-Auszeit, das wir aus dem Oasisguesthouse in
Ulan Bataar kannten, auf einen kurzen Plausch angehalten. Dass wir uns in
Ölgii, kurz vor der russischen Grenze nochmal begegnen und gemeinsam in der
Nähe des Altaistädtchens Tsengel ein paar entspannte „Stehtage“ im Gebirge
verbringen würden, konnten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen.
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Abends in Altai |
Auf der weiteren Strecke bekamen
wir einen Einblick in die mongolische Kunst des Straßenbaus. Waren wir anfänglich
noch auf Naturpisten unterwegs, wurden wir kurz vor der Stadt Altai mit einem Stück
nagelneuer Asphaltstraße überrascht. Danach erlebten wir über knapp 300 km wie
eine neue Straße in der Wüste entsteht. Naturpiste, vorbereitete Straße und
einzelne Asphaltstrecken lösten sich auf der weiteren Strecke immer wieder ab. Es
wird nicht mehr lange dauern und die Durchquerung der Mongolei wird ein
Kinderspiel werden.
Wir machten Pausen, wo es uns gefiel, betrachteten die
Berge und vergletscherten Gipfel des Altaigebirges, das sich im Westen des
Landes bis auf 4000 m in den Himmel streckt und erreichten 8 Tage nach
Verlassen von Bayankhongor die Stadt Ölgii im Westen der Mongolei.
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Blick auf Khovd - von Südosten kommend |
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zwischen Khovd und Ölgii |
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Blick auf Ölgii |
Es ist schwierig unsere
derzeitige Stimmung in Worte zu fassen. Die Mongolei war über so viele Jahre unser
Sehnsuchtsziel und der Motor dieser Reise, zu der wir Anfang des Jahres
aufgebrochen sind. Nun liegt dieses faszinierende, abwechslungsreiche und sehr
ursprüngliche Land bald hinter uns. Sicherlich haben wir nur kleine Teile davon
gesehen. Aber darum ging es uns nicht. Wir wollten die Mongolei erleben. Dazu
gehört es, sich auf die Menschen und ihre Lebensart einzulassen. Wir durften
Gastfreundschaft und selbstlose Hilfsbereitschaft erfahren, halfen unsererseits
manchem Mongolen, den Reifen seines Motorrads aufzupumpen oder das Auto aus dem
Matsch zu ziehen. Ohne dieses gegenseitige Geben und Nehmen könnte ein Leben in
diesem weitläufigen Land, indem jeder auf die Hilfe des Nächsten angewiesen
ist, nicht funktionieren. Bis auf kleine Ausnahmen haben wir ausschließlich
freundliche und fröhliche Begegnungen gehabt, die mangels Sprachkenntnis oft
wortlos, aber gestenreich verliefen. Einzig der Wodka macht aus manchen
Mongolen einen unberechenbaren und zweitweise aggressiven Zeitgenossen. Und
leere Wodkaflaschen gibt es viele.
Durch die Mongolei zu reisen bedeutet auch,
sich auf den Kreislauf des Lebens einzulassen. Von Aasfressern blankgeputzte
Knochen und Schädel verendeter Herdentiere begegnen einem auf Schritt und Tritt
und getrockneter, zu Paketen verschnürter Kuhdung wird auf den Märkten als
Brennmaterial angeboten. Die Menschen haben kaum Berührungsängste, nähern sich
ohne Scheu und möchten oft ein gemeinsames Foto, selbst wenn sie es nur kurz auf
dem Display der Kamera sehen können.
Die kreisrunden Jurten als
Lebensmittelpunkt der Nomaden bringen eine Harmonie mit sich, die sich auf die
Menschen überträgt. Jede Jurte ist gleich, aber doch individuell eingerichtet.
Rechts, im Osten, die Frauen, links, im Westen, die Männer und der Besuch, im
Norden Fotos und ein kleiner Hausaltar – die Türe immer nach Süden. Das
jeweilige Bettgestell dient tagsüber als Sitzmöbel und Liege und auch Iris
durfte auf der Besuchsliege im Nomadenlager unserer Helfer einmal ein
Schläfchen machen. Es ist ein Kommen und Gehen, Kinder sausen herum und jeder
Gast bekommt zur Begrüßung ein Schälchen Milchtee in die Hand gedrückt. Kleine
Kinder hört man schon von weitem. Jeder weiß, wo sich die kleinen Zwerge gerade
aufhalten. Ein Glöckchen am Schuh weist unüberhörbar auf ihren Aufenthaltsort
hin. Es ist ein Leben ohne großen persönlichen Freiraum, immer im Kreis der
Familie, die in der Mongolei noch das Rückgrat der sozialen Ordnung darstellt.
All das nehmen wir tief in unseren Herzen mit auf unsere weitere Reise.
Wir werden in den nächsten Tagen
zufrieden, glücklich und bereichert zur nächsten Etappe aufbrechen. Die
Mongolei kann uns niemand mehr nehmen.
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Stehtage bei Tsengel |
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Flussoase von Tsengel |
2 Kommentare:
Das Rennen mit den Buben habe ich vor kurzen im Fernsehen gesehen. Zusammen mit noch anderes über der Mongolei .
hej iris, der Kommentar gehört mir....
ilse
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