Freitag, 11. September 2015

It's time for a break


Jetzt stehen wir kurz hinter Linz auf einem Stellplatz und uns ist sehr bewusst, dass es in ein paar Stunden wieder nach Deutschland geht. Wollen wir das? Genau in diesem Moment taucht vor Iris` „innerem Auge“ das Bild mit dem Wegweiser nach > Ułan Batour 6912 km auf, das wir in unserem letzten Blogeintrag gepostet haben, denn eigentlich fahren wir ja in die falsche Richtung!


Ein Zenweisheit lautet: „Wenn du schnell ans Ziel kommen willst, gehe einen Umweg“. Daran werden wir uns diesen Winter halten. Die Sehnsucht nach der Reise in den Osten ist groß, aber wir haben uns dazu entschlossen, diesen Winter in Deutschland Quartier zu beziehen. Rückblickend ist Hilmar im letzten Jahr quasi direkt vom Schreibtisch hinters Steuer gehupft. Seit dem haben wir über 24 000 km zurückgelegt und dabei, neben Marokko, acht europäische Länder etwas genauer unter die Lupe genommen. It is time for a break!


Slowakei - Hohe Tatra

Während der letzten Wochen bekamen wir einen Vorgeschmack auf den Osten unseres Kontinents.  Im „Slowakischen Paradies“, der Gegend südlich der Hohen Tatra, haben wir uns trotz der großen Hitze etwas die Beine vertreten können. Die Wege führen durch waldreiche und teils auch feuchte Schluchten, die mit Hilfe von Leitern und Holztreppen begangen werden können. Ein kleinräumiges Kletterparadies, das es in sich hat. In Polen und in der Slowakei haben wir uns sehr wohlgefühlt, aber für Russland, die Mongolei und Zentralasien braucht es unseres Empfindens nach eine andere Vorbereitung. Wir wollen uns den Winter über Zeit nehmen, uns ein bisschen einzulesen und uns vor allem auch etwas mit der russischen Sprache zu beschäftigen. Viel geht mit Händen und Füßen, aber im Moment können wir zumindest die Straßenschilder noch lesen. 

Sicherlich gilt es auch, die politische Entwicklung in unseren Nachbarländern im Auge zu behalten. Wir werden sehen, was im Frühjahr geht. In den letzten Wochen hat das Flüchtlingsthema die Welt bewegt. Wir sind vor ca. einer Woche aus der Slowakei kommend über Bratislava nach Österreich eingereist. Bratislava hat uns länger beschäftigt als eigentlich geplant. Die Durchfahrt war verwirrend und, bis wir schließlich das richtige Landstraßen-Nadelöhr für den Grenzübertritt nach Österreich gefunden hatten, hatten wir die Donau dreimal überquert! Zwei entspannte Tage in Illmitz am Neusiedler See, in denen wir mit dem Fahrrad den Nationalpark erkundeten und unserem freundlichen Stellplatzbesitzer einige Flaschen Welschriesling abkauften, lagen vor uns. 

Nationalpark Neusiedler See

... mit weißen Eseln..

.. und EINEM Wasserbüffel.


Zwischenzeitlich hatte sich herausgestellt, dass hier, im burgenländischen Dreiländereck, die für die Weiterfahrt notwendige „Go-Box“ nur am Grenzübergang Nickelsdorf zu bekommen war. Die Go-Box ist für Fahrzeuge ab 3,5t verpflichtend, sofern man in Österreich die Autobahnen benutzen will. Die herkömmliche Maut-Vignette reicht nicht mehr aus. Nichts ahnend trafen wir bei Nickelsdorf auf Straßensperren und sehr gereizte Polizisten, denn was wir nicht wussten war, dass genau an diesem Tag die Grenze wegen der aus Ungarn kommenden Flüchtlinge geschlossen wurde. Sicherlich halten wir uns unterwegs über Internet auf dem Laufenden, aber an diesem Morgen hatten wir keine Möglichkeit für ein Update. Die Autobahntankstelle mit Go-Box-Vertrieb in Sichtweite hat sich Hilmar schließlich zu Fuß auf den Weg gemacht, um das Kästchen an der an diesem Morgen völlig verwaisten Tankstelle zu erstehen. Auf dem Rückweg kamen ihm unzählige leere Omnibusse entgegen. Erst im Nachhinein wurde uns bewusst, wo wir eigentlich hineingeraten waren. 


bei Rita auf dem Hof
Für die Weiterfahrt hatten wir uns für die Südroute entschieden. Über die Haydn-Stadt Eisenstadt ging es in die Steiermark, um anschließend über Mariazell Richtung St. Pölten zu fahren. Iris knüpfte mit einem Überraschungsbesuch bei einer lieben Bekannten aus ihrer erlebnispädagogischen Ausbildung, die sie 2004-2006 absolviert hatte, an die Vergangenheit an und auch in Linz wollten wir, diesmal angemeldet, jemandem Hallo sagen. Dazwischen lagen zwei Tage in der wirklich schönen Wachau, die wir mit einem Ausflug auf die Burg Aggstein und Donaugucken verbrachten.


Ein Winterquartier haben wir in Aussicht. Sofern alles läuft wie geplant, werden wir in den nächsten Monaten in der Fränkischen Schweiz ein Haus hüten, deren Besitzer, unsere Reisebegleiter aus den ersten Marokkowochen, sich Anfang Oktober nach Südamerika einschiffen werden. 

Burg Aggstein

bei Aggsbach - Markt an der Donau

Spaziergang an der Feldaist im Mühlviertel bei Linz


Bis dahin gilt es noch ein paar Feste zu feiern. Zur bevorstehenden Hochzeit von Hilmars Tochter werden wir pünktlich sein. 

Im Blog wird es daher in den nächsten Monaten ruhiger werden, denn Jonny ist nicht unterwegs, er steht und darf verschnaufen!


Freitag, 28. August 2015

Über die Masuren nach Kraków



Mitten in Masuren

Der längste und größte Fluss, der durch Polen fließt und sich schließlich bei Gdańsk in die Ostsee ergießt, ist die Wisła (Weichsel). Kurz vor Marbork hatten wir sie überquert und schließlich ganz im Süden von Polen, in Kraków (Krakau) wieder gefunden. 1.048 km beträgt die Strecke, die sie in Polen von Süd nach Nord fließend zurücklegt. Wir haben noch einen zusätzlichen Schlenker eingelegt und sind über die Masuren bis zum Białowieska Nationalpark nahe der weißrussischen Grenze gefahren, um schließlich ohne weitere Unterbrechung nach Krakau zu düsen. 

Den Großteil der zurückliegenden 3 Wochen haben wir in den Masuren verbracht. Neben den ca. 1000 bis 3000 Seen, so genau weiß das niemand, gibt es dort einiges zu entdecken. Dank des anhaltend guten Sommerwetters stand natürlich wieder Boot und Baden auf dem Programm. In Pelnik, noch an der Oberländer Seenplatte, haben wir einen kleinen lauschigen Stellplatz mit direktem Seezugang gefunden und dort ein paar sehr entspannte Tage verbracht. Eine polnische Familie aus Münster hat sich dort ein Feriendomizil gebaut und stellt die angrenzende Wiese gerne Wohnmobilisten zur Verfügung. Später haben wir  auch Deutsche kennengelernt, die vor ein paar Jahren mit Sack und Pack nach Masuren gezogen sind. Die Übergänge zwischen den Nationen erleben wir als fließend und Polen vor allem als stabiles, weltoffenes und sicheres Reiseland.


Vor der Ankunft in Pelnik trieb es Hilmar noch zum Oberländer Kanal. Dort, so heißt es, fahren die Schiffe dank einer sehr eigenwilligen und nicht weniger einzigartigen Hebekonstruktion über Land! Er konnte sich nicht wirklich vorstellen, wie dieses stromlose, allein auf Wasserkraft beruhende, Schleusenersatzschiffstransportwerk funktioniert und musste sich mit eigenen Augen davon überzeugen. 


einer der Bunker
Schließlich zog es uns doch zu den großen Seen direkt ins Herz der Masuren. Die Eindrücke, die wir auf dem Weg dorthin gesammelt haben, bewegen uns bis heute. An diesem einen Tag besuchten wir zuerst die Wolfsschanze, das ehemalige Führerhauptquartier aus dem 3. Reich und anschließend die unweit davon gelegene barocke Marienwallfahrtskirche Święta Lipka. Bei ersterem werden durchaus sehr gemischte Gefühle wach. An der Wolfsschanze hat sich die Natur die gesprengten Bunkeranlagen zurückgeholt. Es gibt dort nicht wirklich viel zu sehen. Nichts desto trotz schieben sich Menschenmassen durch die mittlerweile mit grünem Moss überzogenen Bunkerruinen. Allein die Vorstellung, dass hier inmitten der masurischen Sümpfe eine ganze Stadt aus Bunkern als strategisches Zentrum errichtet wurde, erscheint surreal. Der Gedenkstein, der an das am 20. Juli 1944 hier von Claus Schenk Graf von Stauffenberg ausgeführte, aber fehlgeschlagene Attentat auf Hitler erinnert, blieb uns am deutlichsten im Gedächtnis haften.

Święta Lipka

Święta Lipka ist, abgesehen davon, dass diese Kirche eine der meist besuchten Marienwallfahrtsorte Polens ist, für seine wunderbare Orgel bekannt.

Alle Stunde, zu jeder halben Stunde, tritt ein Organist in die Pedale und die aus über 4000 Röhren bestehende Orgel wird akustisch vorgeführt. Nebenbei ist sie aber auch eine optische Augenweide. Üppiges Barock prägt das Erscheinungsbild und – einer Jahrmarktorgel gleich – setzen sich auf bestimmte Impulse hin verschiedene Figuren in Bewegung. Die Putten schwingen die Glocken, der heilige Gabriel nickt der Maria zu und die Fanfarenbläser drehen sich. Da wir leider ein bisschen zu spät zur Vorführung kamen und unweit der Kirche einen, wiederrum an einem der unzähligen Seen gelegen Stellplatz fanden, sind wir am nächsten Morgen nochmal mit dem Ziel, die ganze Orgelvorführung mit zu bekommen, vorgefahren. Wir haben es nicht bereut. 



In den Masuren kann man wirklich von See zu See pilgern, die einen groß, die anderen klein, mit oder ohne Segelboote, ein Eldorado für Wassersportler und Angler. Ab unserem nächsten Stellplatz sind wir für ein paar Tage in Begleitung gereist. Iris hatte einen Hinweis auf einen unweit gelegenen Bauernhof mit Reitgelegenheit entdeckt, der sie magisch anzog. Matthes und Tammo, ein Vater und Sohn- Gespann, schlossen sich spontan an und so lernten wir den Bauernhof Lange kennen, der sich als Relikt aus vergangenen Tagen herausstellen sollte. Die Familie bewohnt ihren Hof seit 1914, was in dieser politisch bewegten Gegend keine Selbstverständlichkeit ist. Früher kamen wohl noch viele Busse mit Touristen, die auf der Suche nach der alten Heimat waren. 


Heute ist der Hof eine deutschsprachige Insel, die uns zu einem Vergleich mit Helgoland anregte. Der Reitbetrieb ist auf Kutschfahrten reduziert, was wir aber gerne annahmen und so von dem mittlerweile 75 jährigen Herrn Lange sein Land gezeigt bekamen. Geritten ist Iris zum Schluss aber doch. Im Nachbarhof hatte sie mit der dortigen Besitzerin einen begleiteten Ausritt arrangiert und die Tatsache, nach über 30 Jahren Abstinenz das erste Mal wieder auf einem Pferd zu sitzen sehr, sehr genossen.



Matthes und Tammo waren uns zwischenzeitlich sehr ans Herz gewachsen, was uns dazu veranlasste, uns für eine Kanufahrt auf der Krutynia, einem der wohl bekanntesten Paddelflüsse Masurens, zu verabreden. Den Weg dorthin haben wir unabhängig voneinander zurück gelegt, was uns auf der Suche nach einem geeigneten Stellplatz für die Nacht in den Genuss der wohl kleinsten Fähre der Welt brachte. 



Außer unserem Jonny konnte gerade noch ein anderes Auto befördert werden. Der Fährmann aber hatte Routine und lotste uns sicher auf und von seinem schwankenden Gefährt. Auf der Krutynia waren wir nicht die einzigen, die sich auf dem sich sanft durch Wiesen und Wälder schlängelnden Fluss über das langsam fließende, kristallklare und meist nur knietiefe Wasser treiben ließen. Iris hatte die Fahrt so gut gefallen, dass sie am nächsten Tag gleich nochmal alleine loszog und Hilmar demnach in Ruhe seine Nase in Bücher stecken konnte. Nur hat er dadurch den lang herbeigesehnten Seeadler verpasst, der Iris an diesem Tag begegnet ist.

Krutynia

Wir hätten noch viel länger bleiben können! Ein Blick auf den Kalender machte uns allerdings klar, dass wir, um unser Versprechen Mitte September wieder in Bayern zu sein, einhalten zu können, wohl dieser wunderbaren Gegend auf Wiedersehen sagen mussten. In zwei gewaltigen „Jonnytagesritten“ von jeweils ca. 400 km sind wir schließlich über den Białowieska Nationalpark nahe der weißrussischen Grenze nach Kraków gefahren. 

Nach den im Norden Polens dominierenden roten Backsteinburgen und -kirchen, die fast alle auf die Deutschordenritter zurück gehen, erwartete uns hier, im äußersten Osten des Landes, ausgedehnte Birken und Kiefernwälder mit kleinen, teils verwitterten, aber auch farbenprächtigen Holzhäusern dazwischen. Hier im alten Tartarenland trifft man noch auf muslimische Kirchen, im Nationalparkgebiet freilebende Wiesents und am Waldrand aufgestellte Schilder, die vor den Wölfen warnen. Für uns war das ein wunderbarer Vorgeschmack auf die Route, die wir im nächsten Frühjahr angehen wollen. Dann soll es endlich durch Russland in die Mongolei gehen!


 


Die letzten Tage in Polen haben wir Kraków gewidmet. Der ca. 4 km vor den Toren Krakóws gelegene Campingplatz ermöglichte es uns, die Stadt per Fahrrad zu erkunden, wovon wir ausgiebig Gebrauch machten. 3 Tage haben wir uns vom Flair dieser wunderbaren Stadt einfangen lassen.

Krakauer Burgberg

Wir sind von Cafe zu Cafe geschlendert, haben auf dem Marktplatz Straßenmusikern gelauscht oder am Ufer der Wisła auf einer Bank sitzend, den Menschen um uns herum zugeschaut. Der Empfehlung einer jungen Dresdner Familie folgend sind wir schließlich in die Slowakei aufgebrochen um hier, im Slowakischen Paradies, einem Naturpark südlich von Poprad, noch ein paar schöne „Wandertage“ zu verbringen. Eigentlich wollten wir auf dem Weg hierher noch den kurz vor der slowakischen Grenze gelegenen Skisprungschanzen von Zagopane im Tatra-Nationalpark einen Besuch abstatten. Aber neben den Badeorten an der Ostsee ist auch diese Region fest in der Hand einheimischer Urlauber, was uns aufgrund der Vielzahl der Menschen schnell zur Weiterfahrt veranlasste. 

Der Abschied von Polen viel uns daher leichter als erwartet. Unserem ursprünglichen Plan, durch die Slowakei über Österreich wieder nach Deutschland zu fahren, werden wir demnach treu bleiben und können die in den letzten Wochen zurückgelegte Route jedem anderen empfehlen.